Die Legende der Dunkelheit: Thriller
fand das Buch und nahm es heraus. Er sah seinen Vater an, dann seinen Bruder, dann klappte er das Buch auf und stellte fest, dass es gar kein Buch war, sondern eine Attrappe. Er griff hinein und zog einen kleinen Beutel heraus. Und ließ die Diamanten in seine Hand rieseln.
»Nimm sie und lass uns gehen.«
»Glaubst du etwa, Diamanten könnten den Schmerz auslöschen?«, fragte Xiao und legte die Steine auf den Schreibtisch.
»Jacob«, rief Howard, »bitte glaub mir, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben.«
Xiao sah den Mann an, den er früher einmal gekannt, den er früher einmal geliebt hatte. Er griff über den Kaminsims und zog das stumpf geschliffene Schwert herunter, eine primitive Waffe, die nur als Ausstellungsstück diente.
»Jacob«, sagte Isaac endlich. »Tu es nicht. Das bringt sie auch nicht zurück.«
»Aber sie wird sehen, dass ihr Tod gerächt wurde.«
»Bitte, tu es nicht …«, flehte Isaac.
»Du sagst, du liebst mich, aber du hast nie nach mir gesucht«, sagte Xiao zu seinem Vater. »Die Wahrheit werde ich in deinen Augen sehen, wenn du stirbst.«
»Wenn du das tust«, warnte Isaac ihn, »werde ich dich aufspüren und dich zur Strecke bringen …«
Xiao drehte sich zu Isaac um, der gefesselt auf dem Stuhl saß und immer zorniger wurde, dann wandte er sich wieder zu seinem Vater und sah ihm fest in die Augen.
Und ohne noch ein Wort zu sagen, stieß er seinem Vater das Schwert in den Unterleib, sah zu, wie sich Howard Lucas’ Gesicht vor Schmerz verzerrte, wie das Leben aus seinen Augen wich.
»Nein!« Seelenqual und Zorn schrien aus Isaac, der verzweifelt versuchte, sich von den Fesseln zu befreien.
Xiao drehte sich schnell und zog die Klinge mit einem widerlichen Schmatzen wieder heraus und ließ sie durch die Luft sirren, doch ganz dicht vor Isaacs Kehle hielt er in der Bewegung inne, und Isaac verstummte.
In Isaacs Blick lag keine Furcht, nur Wut, nur Ekel. Sie blitzten einander an, und die ganze Liebe, die sie einmal füreinander empfunden hatten, all die gemeinsamen Erfahrungen ihrer Kindheit, die Bindung, die auf ewig hätte fortbestehen sollen, all das war dahin, davongeschwemmt in ein Meer aus gegenseitigem Hass.
Mit der freien Hand griff Xiao nach den Diamanten, die auf dem Schreibtisch lagen, und steckte sie ein. Dann warf er das Schwert auf den Boden und ging zur Tür hinaus.
Kapitel 28
Macao
M ichael, Busch und Jon gingen durch die überladene Eingangshalle des Venetian. Die letzte Stunde hatten sie damit verbracht, ein Gefühl für die Anlage zu bekommen, waren durch die Casinos geschlendert, hatten sich an Fan Tan versucht, an Poker, am Würfelspiel und an den Geldautomaten, aber nur Busch hatte gewonnen. Tatsächlich war er in der kurzen Zeit um viertausend Dollar reicher geworden, weil er beim Spielen einen sechsten Sinn zu haben schien.
»Das hebt doch die Laune, so eine gute alte Spielhölle«, meinte Busch und grinste zufrieden.
»Man kann sich die Laune hier aber auch gründlich verderben«, entgegnete Michael, während er sich die Gesichter der Leute ansah und feststellte, dass die Mienen derer, die auscheckten, ganz anders aussahen als bei den Menschen, die eincheckten. »So viele Leute kommen hierher und bilden sich ein, dass sie gewinnen, und reisen mit leeren Taschen wieder ab.«
»Das Geheimnis ist, das Verlieren vergnüglich zu gestalten«, meinte Jon. »Das ist die Kunst eines guten Casinos. Sie nehmen dich aus, aber du kommst trotzdem immer wieder. Die Casinos, die Pleite machen, sind die, die dir das Geld abnehmen und dich dann mit einem flauen Gefühl im Magen auf die Straße setzen.«
»Das ist nicht das Einzige, wovon ich hier ein flaues Gefühl im Magen bekomme«, erwiderte Busch in scharfem, herausforderndem Ton und sah Jon an.
Jon ignorierte Buschs Anspielung. »Können wir den Zeitplan halten?«, erkundigte er sich bei Michael.
»Wo ist Ihr Colonel?«, fragte der.
»In der Suite neben Ihnen. Er ist vor ein paar Stunden angekommen. Wollen Sie ihn sehen?«
»Ich will, dass er mir versichert, dass KC unverletzt ist und dass man sie freilässt, sobald wir hier fertig sind.«
»Verständlich«, meinte Jon. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Wenn Sie wirklich wollen, dass die Sache heute Nacht über die Bühne geht«, erklärte Michael, »sind da noch Hürden.«
»Der Tresor?«, fragte Jon.
»In den Tresor komme ich rein«, entgegnete Michael. »An dem Wachmann in U-6 komme ich allerdings nicht vorbei.«
»Was ist mit der
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