Die Legende der Dunkelheit: Thriller
aufgepeppt.«
Wieder keine Antwort.
»Wenn du dieses Schiff lebend verlassen willst, dann sag mir, wo die Dokumente sind.«
Wieder kam von dem Gefangenen auf dem Boden nichts als Schweigen.
»Eins muss dir klar sein: Ich dringe ein in deine Welt und vernichte euch alle. Und mit dir mache ich den Anfang.« Der Mann griff in seine Hosentasche, zog einen kleinen Sender heraus und riss mit dem Daumen die Sicherheitskappe herunter.
Michael drehte sich in der Dunkelheit um und kletterte lautlos ins dritte Zwischendeck. Zehn Meter über dem Meer, ungeschützt vor Mutter Natur, befand sich ein Wohnzimmer im Freien, mit Liegestühlen und Polsterliegen zum Sonnenbaden.
Ohne nachzudenken, griff Michael unter sein Hemd, zog die Akte heraus, griff nach den drei Blättern und riss sie in der Mitte durch. Die Hälften riss er noch einmal durch, immer wieder und wieder, bis sie nur mehr aussahen wie Konfetti. Dann rannte er zur Reling der Jacht und warf die winzigen Fetzen dessen, was alle so verzweifelt haben wollten, in die Luft. Der Wind trug sie flatternd aufs hohe Meer hinaus, wo sie sich zerstreuten und verloren wie Strandgut.
Michael spähte über die Backbordreling und sah den Amerikaner, den einzigen Überlebenden seines Teams, der die Leiche eines seiner Männer über die Schulter gelegt hatte. Er legte sie in das Beiboot, lief wieder in die Jacht hinein und kam gleich darauf wieder heraus, mit einer weiteren Leiche über der Schulter.
Michael schaute sich um, aber sein Boot war verschwunden, abgetrieben. Der Mann trug zwei weitere Leichen nach draußen. Aber dieses Mal drehte er sich nicht noch einmal um. Er sprang einfach nur in das Boot und stellte sich hinter das Steuerrad.
Er ließ den Mörder zurück, damit der hier sterben sollte. Michael konnte nicht umhin, so etwas wie Befriedigung zu empfinden. Der Mann hatte unschuldige Menschen ermordet, eine ganze Familie. Er hatte den Tod verdient.
Ohne weiter nachzudenken, sprang Michael von der Steuerbordseite. Mit dem Kopf voraus stürzte er sich in das zehn Meter unter ihm liegende Meer und war auch dieses Mal geschockt, wie eisig kalt das Wasser war.
Er drehte sich Richtung Küste, schaute auf das hell erleuchtete Schloss, in dem der Tod gewütet hatte, und schwamm schneller, als er je in seinem Leben geschwommen war. Er hörte den Motor des Beibootes, in dem der Amerikaner saß, aufheulen und sah das Boot davonpreschen, und je weiter es sich entfernte, desto leiser wurde das Geräusch.
Die Explosion erhellte die Nacht, der gewaltige Feuerball rollte himmelwärts. Michael konnte die Hitze in seinem Rücken spüren, und die Schockwellen kräuselten das Wasser. Das Schiff protestierte, stöhnte und ächzte, als das Meer in seinen verbogenen, sich windenden Rumpf strömte. Und dann sah es aus, als würde die Hand eines Riesen aus der Tiefe greifen: Die Jacht begann zu sinken, zuerst nur ganz langsam, doch mit jeder Sekunde ging es schneller, so als hätte sie es eilig, in ihr Grab zu gelangen. Innerhalb einer Minute war sie rückstandslos verschwunden, und das Einzige, was noch zu hören war, war das Zischen von Dampf und das Blubbern von Luftblasen.
Michael drehte sich nicht mehr um. So schnell, wie er eben konnte, schwamm er auf die Küste zu; die war nur 350 Meter entfernt, doch sorgte der hohe Wellengang dafür, dass sich jeder Zug so anstrengend anfühlte wie vier Züge. In seinen Beinen hatte er bereits Krämpfe, seine Gelenke schmerzten bei jedem Schlag.
Michael schwamm um sein Leben.
Kapitel 1
V on der Banksville Road aus war die bungalowartige Ranch mit der Fassade aus Holz und Stein und mit dem Schindeldach nicht zu sehen, denn das Haus stand abgelegen inmitten von zwanzig Morgen Land. Hier konnte Michael die Sorgen und Nöte des Alltags hinter sich lassen.
Gekauft hatte er das damals verfallene Gebäude zwei Jahre zuvor bei einer Zwangsversteigerung, um einen Platz zu haben, an dem er sich vor der Welt zurückziehen konnte und vor der Tatsache, dass seine Frau gestorben war. Er hatte viele Nächte und Wochenenden damit zugebracht, das Haus zu renovieren und in einen Ort des Trostes zu verwandeln. Es war sein Refugium geworden, ein Versteck, in dem er sich seiner Trauer hingeben konnte. Und während er daran arbeitete, während er dem Haus neues Leben einhauchte, revanchierte es sich bei ihm und hauchte auch ihm neues Leben ein, gab ihm die Zeit, die er brauchte, damit die Wunden in seiner Seele verheilen konnten, gab ihm die Kraft, die er
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