Die Legende der Dunkelheit: Thriller
Freundes sehen. Busch hatte sich drei Jahre zuvor pensionieren lassen, wurde aber immer noch von jedem respektiert, der hier arbeitete. Am nächsten Morgen würde niemand ein Wort darüber verlieren, dass Busch dem Büro einen Besuch abgestattet hatte.
»Habe ein paar Freunde beim NYPD angerufen. Die haben keine Leiche«, erklärte Busch. »Beim ganzen NYPD gibt es keinen Eintrag, der darauf schließen lassen würde, dass es in der Park Avenue eine Schießerei gegeben hat.«
»Das ist Scheiße, es gibt Zeugen –«
»Ich bin überzeugt, dass es die gibt, aber für das NYPD hat es diesen Vorfall nie gegeben. Dieser Knabe hat das alles verschwinden lassen. Weißt du, wie schwer es ist, so was durchzuziehen?«
Michael fehlten die Worte.
»Was zum Teufel geht hier vor? So führt sich das Militär nicht auf. Die haben auf dem Territorium der USA doch auch überhaupt keine Gerichtsbarkeit.« Busch sagte das nicht nur zu Michael, sondern auch zu sich selbst. »Was sollst du denn eigentlich für ihn tun?«
»Ich soll eine Kassette stehlen.«
»Weil das Militär der Vereinigten Staaten unter den eigenen Leuten keinen findet, der dazu fähig ist?« Busch hob fragend die Hände. »Und wo?«
»In Macao«, erwiderte Michael. »Das ist alles, was ich weiß. In irgendeinem Gebäude mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen –«
»Macao? Auch wenn wir immer behaupten, wir seien Freunde, sind das amerikanische und das chinesische Militär einander nicht gerade grün. Nein, nein, keine gemeinsamen Kriegsspiele mit unseren asiatischen Kollegen. Wenn die USA innerhalb der Landesgrenzen Chinas eine Operation durchziehen würden …« Busch sah Michael an. »Käme das nicht gut. Bei jemandem wie dir gibt es keine Datenspuren.«
»Nur Blutspuren«, entgegnete Michael.
»Macao ist ein Provinznest in der Nähe von Hongkong. Da gibt es jede Menge Glücksspiele und Huren, aber nichts Symbolträchtiges.«
»Er hat von einem Hochsicherheitsding gesprochen.«
Busch saß hinter Delias Schreibtisch und fuhr dessen Computer hoch.
»Du kennst sein Passwort?«
»Ist der Name seines Hundes und sein Geburtstag, zwei Dinge, die er nie vergessen würde«, gab Busch zur Antwort, ohne aufzublicken. Er bearbeitete die Maschine, als wäre sie eine Schaufel, grub sich weiter. Er googelte Begriffe, durchforstete das Internet, fand alles Mögliche. Dreißig Sekunden später hatte er das, was er gesucht hatte.
»Das ist eine Nummer zu groß für uns«, sagte Busch, und Furcht schwang in seiner Stimme mit.
»Was?«
Busch drehte den Computermonitor. Der Bildschirm zeigte ein exotisches Motiv in hellen Farben. Bisher hatte Michael sich den Kopf darüber zermartert, wie er KC zurückgewinnen konnte, indem er entweder der Forderung seines Erpressers nachgab oder indem er etwas Hinterhältigeres versuchte. Jetzt wurde ihm plötzlich klar, dass die Aufgabe, die er bewältigen sollte, wesentlich schwieriger war, als er gedacht hatte. Bis jetzt hatte er nicht gewusst, dass dieser Ort überhaupt existierte, doch ein einziger Blick auf den Bildschirm genügte, und eins war sicher: Paul hatte recht. Das hier war nicht nur für ihn eine Nummer zu groß, das war für jeden eine Nummer zu groß.
»Und was wissen wir über unser Herzchen?«, fragte Busch.
Michael drehte das iPad herum und drückte auf Play .
»Das Einzige, was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Annie nicht ihr richtiger Name ist …«
Beide schauten sie sich das Video an, hielten ihre Gefühle im Zaum, konzentrierten sich auf Annie, auf den Terminal und auf alles, was um die beiden Frauen herum ablief.
»Also, wir wissen, dass es mindestens zwei sind.« Michael drückte auf Pause , woraufhin das Video zuerst in Zeitlupe weiterlief und dann ganz stoppte. Er wies mit dem Finger auf die Anzeigetafel hinter dem Ticketschalter. Wenn man die LED-Anzeige mental ausschaltete, konnte man sehen, wie sich das spiegelte, was im Terminal vor sich ging. Hinter Annie und KC war ein Meer aus Menschen – Geschäftsleute, die mit dem Handy telefonierten; frisch Verliebte, die mehr aufeinander konzentriert waren als auf die Warteschlange; Eltern, die fast wahnsinnig wurden bei dem Versuch, ihre Kinder unter Kontrolle zu bringen. Und mittendrin stand ein lächelnder Mann, der einen Seesack über der Schulter trug, und ganz kurz konnte man ein rotes Licht an der Seite des Seesacks aufblinken sehen, das Aufnahmelicht.
»Unser Herr Kameramann«, sagte Busch ruhig.
Michael griff in seinen Aktenordner und
Weitere Kostenlose Bücher