Die Legende der Dunkelheit: Thriller
Jacob benutzte die Waffe, als wäre er ein Meister seines Fachs, und das Blut spritzte nur so. Entsetzt und hilflos sahen die drei anderen zu, wie ihr Freund vor ihren Augen entstellt wurde.
Als der Junge blutverschmiert und gedemütigt zu Boden fiel, baute Jacob sich vor ihm auf, mit stolzgeschwellter Brust und mit einem neuen Ego, das er der Macht verdankte, die er plötzlich hatte. Er konnte anderen das Leben nehmen – wie ein Kind einen Käfer zertrat.
In diesem Augenblick, als er hinunterblickte auf dieses Wesen, das jetzt sein Opfer war, musste er wieder an seine Mutter denken, daran, wie sie tot auf der Straße gelegen hatte, ermordet von einer Kreatur wie diesem Jungen, der jetzt vor ihm lag. Und er dachte an seinen Vater und an das, was dieser Mann ihm angetan hatte: dass er seine Mutter getötet und ihm alles genommen hatte, was er besessen hatte. Mit einem Schlag verlor sein Herz jedes Gefühl und wurde völlig hohl; dann füllte sich die Leere mit ungezügelter Wut.
Und er bückte sich und schnitt dem Jungen die Kehle durch, als wäre dieser Junge der Mörder seiner Mutter oder als wäre er sein Vater. Er wollte diesem Schläger nicht die Gelegenheit geben, sich zu rächen, er würde nicht zulassen, dass er noch einen unschuldigen Menschen überfiel.
Jacob erhob sich, drehte sich um und ging zu den anderen Jungen hinüber, die starr vor Entsetzen waren über den Tod ihres Freundes. Er holte sich seine Schuhe wieder, seine Tasche und sein Hemd. Schließlich beugte er sich vor und flüsterte in perfektem Mandarin: »Wenn ihr auch nur einer Menschenseele davon erzählt, hole ich mir jeden Einzelnen von euch. Euer Freund ist schnell gestorben; das wird euch nicht vergönnt sein.«
Jacob war erwachsen geworden. Er erzählte Kwon, was passiert war, und die Angelegenheit wurde unter den Teppich gekehrt. Es wurde weder in den Zeitungen darüber berichtet, noch gab es eine polizeiliche Untersuchung, nur Gerüchte, dass die Schlangentriade ein neues Mitglied habe.
Und da Jacob nun zum ersten Mal gemordet hatte, gab Kwon ihm einen neuen Namen. Er war kein gwailo ; sein angelsächsischer Name Jacob Lucas war nicht mehr angemessen. Kwon erklärte ihm, er müsse seine Kultur annehmen und akzeptieren, wer er wirklich war. Und so nannte er ihn Xiao Yan Wang, ein Name, der aus zwei chinesischen Namen bestand: der eines mythischen Bergdämons und der des chinesischen Todesgottes.
Kapitel 24
Peking
K C betrat die Hotelsuite und sah, dass ein kleines Waffenlager mitten auf dem großen Himmelbett ausgebreitet war: zwei Galil-Sturmgewehre und drei 9mm Glocks. Außerdem lagen da vier Funkgerät-Kopfhörer mit Kehlkopf-Mikrofonen, zwei schwarze Outfits, dunkle Mützen, eine mausbraune Perücke, verschiedene Seile, Enterhaken und zwei Messer, die jeweils in einer Scheide steckten.
Annie griff nach einer der Pistolen und warf sie KC zu, die sie zwar auffing, aber gleich wieder aufs Bett fallen ließ.
»Sind wir etwa schreckhaft?«
»Keine Waffen«, gab KC zurück.
»Keine Waffen …? Im Ernst? Was meinst du wohl, wie lange wir hier ohne Waffen überleben können?«
»Ich werde keine Waffe tragen.«
Annie starrte sie einen Moment an, dann wechselte sie das Thema. »Wie war das Mittagessen?«
KC zeigte ihr Jennas Codekarte.
»Sehr schön. Vielleicht brauchst du ja gar keine Waffe.«
KC setzte sich an den kleinen Esstisch, der in der Ecke stand, und breitete eine große Landkarte darauf aus, die mit roter Tinte markiert war: verschiedene Eingänge, verschiedene Ausgänge. »Von der Westseite kommen wir nicht hinein; zu viel Verkehr und zu viele Gebäude mit Fenstern, von denen aus man das Gelände im Blick hat. Der Eingang zweihundert Meter nördlich von der Südost-Ecke bietet die beste Deckung. Wir werden aber ein Ablenkungsmanöver brauchen.«
»Was für eins und wo?«
»Eins, das die Aufmerksamkeit der Leute für mindestens eine Minute auf die gegenüberliegende Straßenseite der Südost-Ecke lenkt. An dieser Stelle der Mauer haben wir zwar eine gewisse Deckung, aber unsichtbar werden wir dadurch nicht. Wir müssen den Blick der Leute von uns weglenken, oder wir schaffen es gar nicht erst über die Mauer.«
»Was schwebt dir da vor?«
»Das ist deine Abteilung. Aber sieh zu, dass es eine große Sache ist und nicht langweilig.«
»Langweilig bin ich noch nie gewesen.«
KC konzentrierte sich auf die Landkarte, prägte sich alles ein, damit sie jede Ecke und jede Tür kannte wie ihre Westentasche. Als sie
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