Die Legende der Dunkelheit: Thriller
setzen will. Die Leute, die für den Sicherheitsdienst des Venetian arbeiten, sind Experten darin, die Verbrechen, die in diesem Haus begangen werden, zu vertuschen; nicht einmal in den Zeitungen würde darüber berichtet werden. Also wird er versuchen, mich außerhalb des Hotels zu schnappen, auf der Straße oder auf dem Weg zum Flughafen.«
»Trotzdem sollten wir auf der Hut sein«, meinte Reiner.
»Sie dürfen nicht vergessen, dass wir einen großen Vorteil haben.«
»Und der wäre?«
»Er hat keine Ahnung, dass ich überhaupt im Land bin. Aber, Sergeant, falls Sie ihn sehen sollten, machen Sie nicht den gleichen Fehler wie ich. Wenn Sie den Mann sichten, erschießen Sie ihn!«
Kapitel 25
1974
D a er hochintelligent und gebildet war, aber auch die Eigenschaften eines Straßenköters hatte, machte Xiao in den Reihen der Schlangentriade rasch Karriere, entweder weil er befördert wurde, oder weil andere Mitglieder starben. Sein Onkel Kwon war zwar der Boss der Triade, doch er hielt überhaupt nichts von Vetternwirtschaft, denn Entscheidungen mit dem Herzen zu treffen war der erste Schritt dahin, dass man die Kontrolle verlor. Nichtsdestotrotz stieg Xiao binnen weniger Jahr zu Kwons Stellvertreter auf, denn Xiao hatte Fähigkeiten und eine Disziplin und eine Skrupellosigkeit entwickelt, die Kwon weder hätte vorhersagen noch vorausplanen können.
Xiao besuchte die Universität von Hongkong, studierte Kriegsführung, internationale Beziehungen, Rechnungswesen und Statistik. Er war das, was sein Onkel die »neue Rasse« nannte. Die Kulturrevolution der Sechziger- und Siebzigerjahre veränderte die Welt, und Xiao sollte seinem Onkel dabei helfen, die neue Ära einzuläuten. Doch sein Onkel sollte diese neue Ära nicht mehr erleben.
Kwon fuhr spät heim und umklammerte mit den beringten Fingern das Lenkrad, eine Sonderanfertigung aus Holz. Er liebte es, seine 1964er Hardtop-Corvette zu fahren; das war sein Lieblingsauto, und er hatte kein Verständnis für Leute, die sich für so großartig hielten, dass sie sich von einem Chauffeur herumkutschieren ließen.
Er fuhr vor seinem Haus im Ju-Wong-Viertel vor, von einem Meeting, in dem seine Organisation erfolgreich ein Gebiet übernommen hatte, das bis dahin formell seinem Rivalen gehört hatte. Der erbitterte Streit, den sie darum geführt hatten, war nun endlich beigelegt worden, ohne Blutvergießen, bei einem Treffen unter vier Augen, in dem beide Seiten übereingekommen waren, dass Kwon besser ausgerüstet war und den Drogenhandel effektiver kontrollieren konnte.
Als Kwon vor seiner Haustür hielt, zerfetzte die Bombe den silberfarbenen Sportwagen und zerriss die Stille der Nacht. Ein Feuerball stieg in den Himmel, und die Hitze der Explosion setzte die Holzbänke in seinem Vorgarten in Brand und brachte die Plastikfassade der kleinen Pagode in seinem Garten zum Schmelzen. Als der Rauch sich legte, rannten die Nachbarn herbei, doch sie sahen sofort, dass von dem Fahrzeug nichts mehr übrig war und nichts mehr übrig war von Kwon, nur die verkohlten Überreste seinen Lieblingshutes und die geschwärzten Ringe an seiner linken Hand.
Tao war der Boss der Tigertriade, ein sechzigjähriger Mann, der ebenso geschickt mit den Spielkarten umgehen konnte wie mit dem Tod, ein Mann, der die alten Casinos und den Drogenhandel unter sich hatte, sich westlich kleidete, aber stets sein wertvolles Schwert mit sich führte wie der letzte Krieger seiner Art. Seine Organisation war der Erzrivale von Kwons Schlangentriade, und da er immer mehr an Macht einbüßte, war er beglückt, ein Zeichen setzen zu können, das zeigte, dass er keineswegs machtlos war. Kwon hatte gedacht, sein neuer, moderner Verhandlungsstil – Meetings, bei denen Statistiken und Gewinnmargen die Muskelkraft ersetzten – sei die Zukunft, aber Tao wusste, dass der Weg zum Erfolg immer über die Vergangenheit führte.
Xiao betrat das heruntergekommene Casino durch die Hintertür. Während sich in dem kleinen Erdgeschoss nur die einarmigen Banditen befanden und ein paar Mah-Jongg- und Kartentische, waren in den oberen Stockwerken die privaten Spielzimmer, wo die Legende von Macaos Glücksspiel im Verlauf der letzten hundert Jahre geschaffen worden war. Die Touristen aus Hongkong kamen nur her, um die ganze Nacht zu spielen, sich zu betrinken und mit der Fähre wieder zurück nach Hause zu fahren. Die Privatkunden, diejenigen, die Geld wie Heu hatten und sich in den Privaträumen tummelten, blieben dagegen
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