Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
Vom Netzwerk:
diese Pferdepisse schon getrunken, bevor deine Mutter dich abgestillt hat … «
    »Unsinn«, brummte Randur und ächzte erneut. Sein Haar war zerzaust, und an der einen Gesichtshälfte klebte Dreck. Und es gab – wenn auch nur schwach – einen ekligen Geruch, der hoffentlich nicht von ihm stammte.
    Er hatte also wieder eine Nacht mit Denlin vertrunken. Dieser Kreislauf wiederholte sich seit Tagen: Erst verführte er eine Dame und nahm ihr ab, was sich ergattern ließ, dann flüchtete er ins Dunkel der Höhlen, wo Denlin rasch einen Käufer besorgte. Und das wurde natürlich gefeiert, wobei er üblicherweise nicht so viel trank, doch am Vorabend hatte er einen großen Fischzug getan und einer sechzigjährigen Witwe ein Diamantarmband abgenommen. Ihr Alter hatte ihr Verlangen nicht verringert, doch es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis sie endlich gekommen war, und hinterher hatte sie so reglos dagelegen, dass er sie für tot gehalten hatte. Als er ging, hatte sie ein Dankeschön nach dem anderen gemurmelt.
    Ehe er in die Nacht verschwunden war, hatte er seine bisher kostbarste Beute mitgehen lassen.
    Ein Uhrenturm schlug die Stunde, und jeder Schlag dröhnte in Randurs Kopf. Es war acht Uhr, und er begriff, dass er Lady Eir binnen einer Stunde Tanzunterricht zu erteilen hatte. Er fluchte laut.
    »Was gibt’s, Junge?«
    »Ich muss los.« Randur stemmte sich endlich doch auf die Beine und strich sich den Staub vom Gewand. Seine feuchten Sachen stanken nach Rauch und Alkohol.
    »Na, ich bin hier, falls du mich brauchen solltest«, gab Denlin zurück.
    »Ich komme, sobald ich wieder etwas zu verkaufen habe.« Randur drehte sich um und hetzte durch die Höhlen Richtung Erdoberfläche davon.
    Als er die ungewöhnliche Helle bemerkte, verzog er das Gesicht. So weit unten sollte es kein Tageslicht geben, doch ihm fiel ein, dass er die Höhlen bisher nur nachts besucht hatte, es nun aber Morgen war.
    Randur rieb sich erneut die Augen und sah auf. »Wer hätte das gedacht … «
    Lichtstreifen liefen über die Wände der riesigen Höhle, als stünde er unter dem glühenden Brustkorb eines ungeheuren Tiers, dessen Rippen wie Glas funkelten. Genau in der Mitte und zugleich am Scheitelpunkt der gewaltigen Höhle leuchtete es hell von draußen herein, und wirklich klarte der Himmel in diesem Moment ausnahmsweise einmal auf. Ähnliche kleinere Löcher waren in Abständen über alle Höhlen verteilt, und durch jedes fiel Licht in diese vernachlässigte Gegend der Stadt. Vielleicht waren diese Höhlen – und nicht die Stadt, die jeder Reisende sah und in der die Reichen und Mächtigen inzwischen lebten – in unvordenklicher Zeit das eigentliche Villjamur gewesen.
    Doch das war nicht der Moment, um herumzutrödeln und zu spekulieren. Er war spät dran und stank nach Alkohol. Also hetzte er weiter Richtung Balmacara.
    Am gleichen Morgen geleitete Kommandeur Brynd Lathraea die neue Kaiserin die letzte Wegstrecke nach Villjamur, und viele Soldaten der Vierten und Fünften Dragoner ritten der Stadt durch den Dunst entgegen. Die Hufe zerstampften die durchweichte Tundra und ließen eine schlammige Spur zurück, der zu folgen ein Kinderspiel gewesen wäre, doch angesichts der vielen Truppen stand kein Überraschungsangriff zu befürchten. Brynd ritt unmittelbar neben der Kutsche, hinter deren halb verhüllten Fenstern Rika saß. Apium hockte auf seinem Pferd, das zu denen gehörte, die die Kutsche zogen, während Nelum und Lupus gleich hinter dem Wagen ritten. Ringsum waren Reihen von Dragonern und hielten präzise mit ihnen Schritt.
    Lady Rika war der Mittelpunkt des Ganzen.
    Brynd spähte oft zu ihr rüber, konnte ihre Miene aber nicht deuten. Er vermutete, dass sie genau wusste, was in ihrer neuen Rolle und angesichts der künftigen Verantwortung von ihr erwartet wurde. Und ihm war klar, dass sie seit Jahren nicht in Villjamur gewesen war. Die einschüchternden Mauern und die drei Eingangstore hatte es anscheinend schon immer gegeben, doch mittlerweile hatte sich davor und dahinter mancherlei verändert. Die Eiszeit stand bevor, und Tausende Flüchtlinge drängten sich vor der Stadt. Familien wurden zerrissen, und täglich gab es Morde und Selbstmorde.
    Und ihr Vater, der Kaiser, war tot.
    »Euer Atem, Randur Estevu, stinkt, als hätte ein Pferd einen fahren lassen. Ihr habt hoffentlich einen guten Grund dafür, mir in dieser Verfassung gegenüberzutreten?« Eir musterte ihn mit verschränkten Armen.
    »Was weiß ein hübsches,

Weitere Kostenlose Bücher