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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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nachdem seine kostbaren Relikte ihn durch die Luft dorthin getragen hatten.
    In der Nacht hatte er vom Tod geträumt. Das nahm er jedenfalls an. Im Schlaf war die Rote Sonne immer dunkler und trüber geworden und dann verloschen, bis überall in der Stadt, bei der es sich um Villjamur handeln mochte, alle Straßen schwarz waren. Reihen von Fackeln brannten, und eiskalte Hände wollten ihn von ringsum berühren. Da war er aufgewacht und hatte sich nicht zum ersten Mal tief mit der Welt verbunden gefühlt und gespürt, dass sie genauso starb wie er.
    Ein Stück weiter die Küste hinauf begannen die Hunde zu heulen.
    Mit Verain und den beiden Kultisten, denen er am meisten vertraute – mit Todi und Tuung – , war Dartun in den Nordosten des Boreal-Archipels aufgebrochen und durchs dicke Treibeis gesegelt, so weit es ging: eine gefährliche Art des Reisens, bei der sie atemlose Momente erlebt hatten. Todi war jung und blond und legte eine Beflissenheit an den Tag, die ihn als vertrauenswürdig auswies. Tuung dagegen war ein kleiner, älterer Mann mit schütterem Haar, den die Erfahrung hatte zynisch werden lassen, der sich alles gründlich überlegte und dessen Gesichtsausdruck dem einer wütenden Schildkröte glich. Beide waren untersetzt, und er fragte sich mitunter, ob sie nicht Vater und Sohn waren.
    Weil Dartun keine Reiserelikte mehr besaß, war er auf den Schlitten angewiesen. Mit dem letzten Relikt dieser Art war er von Villjamur nach Y’iren gelangt und hatte sich so die lästige Pflicht erspart, die lange Strecke wie die Übrigen mit den Untoten zurückzulegen. Nun aber konnte er nicht mehr durch die Luft fahren und in kürzester Zeit weite Entfernungen überwinden und bedachte illusionslos, dass er den Uneingeweihten immer ähnlicher wurde.
    »Die Sache ist ernst«, erklärte das Bild im Schnee und war mal schärfer, mal verschwommener, während die Stimme seltsam nah klang. »Papus wirft Euch vor, alte Gesetze zu missachten und die Dawnir-Technologie zu bösen Zwecken einzusetzen. Zudem hat sie jede Menge Paragrafen zitiert. Wenn wir nicht aufpassen, kann die Sache außer Kontrolle geraten.«
    »Sie ist keine große Gefahr«, brummte Dartun. »Vermutlich geht es vor allem um Eifersucht.«
    »Sir«, widersprach das Bild, »sie werden Guntar foltern oder gar töten. Sie wissen, dass Ihr Leichen zum Leben erweckt habt. Papus will alle Orden zu einem Bündnis gegen uns zusammenschmieden. Wenn das gelingt, werden wir womöglich alle getötet. Was also sollen wir tun?«
    Dass Papus sich in ihrer Selbstgerechtigkeit wie das moralische Herzstück des Archipels gebärden würde, hatte Dartun vorhergesehen. Er fragte sich flüchtig, woher sie von seiner Wiederbelebung der Toten erfahren hatte. Die, deren Umwandlung unvollständig geblieben war, hatte er einfach freigelassen. Das mochte leichtsinnig gewesen sein, doch er hatte nicht das Herz gehabt, sie zu töten, da sie ja fast lebendig waren. Das Problem mit den Untoten aber war, dass die unterschiedlichen Verwesungsstadien sie so unberechenbar machten. Und selbst diese Störungen waren nur Nebenwirkungen seines größeren Ziels, vollkommene Untote zu erschaffen.
    Eine private Miliz. Seine Garde.
    »Abwarten«, seufzte Dartun. »Soll Papus ruhig etwas unternehmen, wenn sie will. Sie wird wenig davon haben.«
    »Ein Letztes noch, Godhi«, fuhr das verrauschte Bild fort. »Ein Randur Estevu sagt, er habe das Geld endlich beisammen. Das war vermutlich eins Eurer Privatgeschäfte.«
    »Ja, ja … « Dartun war so sehr mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen, dass er den jungen Mann fast vergessen hatte, dessen Mutter er am Leben erhalten sollte.
    »Nun, er möchte … wann er bezahlen … « Das Bild flackerte, und die Stimme war verzerrt, doch dann wurde beides wieder klarer.
    »Sagtet Ihr gerade, er möchte wissen, wann er mich bezahlen kann?«
    »Ja«, erwiderte das Bild.
    »Gut. Zunächst braucht Ihr jemanden, der Zutritt zu meinen Privatgemächern hat.« Dartun gab Anweisung, gewisse Relikte zusammenzutragen, um sogar aus großer Entfernung so in die Dawnir-Technologie eingreifen zu können, wie es ihm beliebte. Ironischerweise war das Verfahren, Leben zu verlängern, gar nicht so schwer, doch nur er allein kannte es und hatte es stets für sich behalten. Keiner seiner Ordensgenossen würde begreifen, was er da erschuf, indem er Dartuns Anweisungen befolgte. Obwohl seine Therapie sicher keinen dauerhaften Erfolg brachte, wie ihm inzwischen am eigenen Leib klar

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