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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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geworden war, würde sie das Leben dieser elenden Frau immerhin wohl ein wenig verlängern.
    »Wenn er kommt, sagt ihm, es sei in zehn Tagen so weit«, erklärte Dartun. »Und ich nehme an, dass die übrigen Mitglieder des Ordens kein Problem damit haben, die Untoten zu mir zu bringen, oder?«
    »Nein, alles läuft so, wie Ihr es geplant habt.«
    »Sehr gut.« Dartun schaltete das Gerät aus, das Bild verschwand, und um ihn herum war es völlig still. Er wusste nicht, warum er plötzlich so nervös war – wohl, weil er dem so nah war, was er glühend zu erreichen hoffte. Er hatte immer den zehrenden Verdacht gehabt, am Ende seiner Reise stehe nichts anderes als die einfache Bestätigung, dass er nicht ewig leben konnte – unabhängig davon, wie sehr er die Unsterblichkeit auch zu erlangen hoffte.
    Tineag’l – die Bergbauinsel im Norden von Y’iren – versorgte das Kaiserreich seit Langem mit einem Großteil seiner Erze. In dieser alten Industrie litten seit Jahrhunderten Arbeiter und Sklaven. Schnee war gleichmäßig auf die Tundra gefallen, die in ungetrübter Ruhe dalag, sofern nicht Alke aus den dichten Lärchenwäldern schossen und mit ihren ausgefransten Schwingen über den Himmel fuhren. An der Nordküste der Insel hatten einst Dutzende Bergbausiedlungen gelegen und sich weit über den Ring von Iron – das größte Industriegebiet des Kaiserreichs – hinaus erstreckt. Städte und Dörfer bestanden meist aus ausgedehnten Holzgebäuden, weniger aus Steinbauten wie in Villjamur. Rußgeschwärzte Männer schleppten sich zu den Minen, während Frauen in schäbiger Kleidung sich ihren Lebensunterhalt mit kleinen Läden, Tavernen und Bordellen zu verdienen suchten. Die versklavten Stämme wurden – wie der Rat immer wieder behauptete – anständig behandelt, besser jedenfalls, als wenn sie bloß kargen Lohn für ihre Arbeit bekämen. Dartun empfand dies als ein schwaches Argument dafür, über andere wie über Gegenstände zu verfügen, doch es schien auch symptomatisch dafür zu sein, wie die Dinge in Jamur liefen.
    Es war schwer, den Abraumhalden des traditionsreichen Bergbaus auszuweichen, und die Straßen, die die Siedlungen miteinander verbanden, waren kaum mehr als gut ausgetretene Pfade. Seit Langem plünderten Wölfe die Essensabfälle, und Dartun staunte, dass Menschen freiwillig in dieser Gegend wohnten, vermutete aber, dass die Minen ihnen immerhin ein gewisses Auskommen boten.
    Sie hatten einige Siedlungen gestreift, aber niemanden gesehen. Damit hatte Dartun nicht gerechnet. Ob es an der Winterstarre lag? War es hier oben nun so kalt, dass die Einwohner hatten fortziehen müssen? Unwahrscheinlich. Die Wohlhabenderen sowie die eher Verzweifelten waren gewiss gen Villjamur geflohen, aber es musste doch Hartgesottene geben, die rauere Umweltbedingungen ertrugen – und seien es nur Rumel mit ihrer robusteren Haut. Es gab noch immer Rotwild, sodass wenigstens die Bauern überleben konnten. Doch es war ein Rätsel, wo die Menschen geblieben waren.
    »Dartun.« Verain kam durch den hohen Schnee gestapft, wobei sie die Arme des Gleichgewichts wegen elegant nach links und rechts ausstreckte. Ihre Augen strahlten vor Aufregung. »Wir sind dort vorn zwei Jägern vom Stamm der Aes begegnet.« Sie zeigte zur Küste. »Die dürften wissen, warum die Insel verlassen ist. Allerdings können wir uns bisher kaum verständigen.«
    Dartun nahm ihre behandschuhten Hände, bedankte sich und griff nach dem Verständigungsrelikt unter seinem Umhang.
    Sie lächelte. Möglich, dass sie für seine Exzentrik langsam ein schwaches Mitleid empfand.
    Dann und wann ausgleitend, führte Verain ihn ein verschneites Ufer hinab; er musste sich an Ginsterbüsche klammern, um nicht ins Rutschen zu geraten. Todi und Tuung unterhielten sich noch mit den beiden pelzgekleideten, Bögen und Jagdmesser tragenden Stammesangehörigen, deren Gesichter flächig und von Sonne und Schnee gebräunt waren.
    »Seid gegrüßt, Krieger«, redete Dartun sie auf Sula an, der unter den Aes gebräuchlichen Sprache. »Das Wetter ist schlimm geworden, oder?«
    »Ihr sprecht unsere Sprache, Magier«, erwiderte der größere Krieger. Es musste sich um Brüder handeln, denn die beiden waren einander – von der Körpergröße abgesehen – zum Verwechseln ähnlich. »Das ist erstaunlich.«
    »Ich habe mein langes Leben klug genutzt«, gab Dartun zurück. »Also, was gibt es Neues auf der Insel?«
    Der größere Krieger sah den kleineren an. Der nickte

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