Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
Layna, und wir haben uns unterhalten. Sie hat mit einem Mann angebändelt, der sie sehr gut und ebenbürtig behandelt – was sie über ihn sagte, klang ganz bezaubernd.«
Diese Auskunft beruhigte Jeryd nicht, vielleicht wegen des Zynismus, den er im Laufe der langen Tätigkeit für die Inquisition entwickelt hatte.
Am späten Nachmittag setzte sich die Sonne durch und tauchte einige bizarre Wolkenformationen in grelles Licht. Die Türme und Brücken der Stadt funkelten. Tryst hatte die Balkontür geöffnet, um Tuyas Zimmer vom Gestank ihrer Malutensilien zu befreien. Die kalte Luft schärfte seine Sinne aufs Neue. Er stützte das Kinn auf die Fingerkuppen und betrachtete die Skulptur Marysas. Tuya kauerte auf den Knien und nahm einige kaum wahrnehmbare Veränderungen an ihrem Werk vor.
Tryst hatte sie unter Drogen gesetzt und die harmlose Dosis regelmäßig aufgefrischt, um Tuya leichter beeinflussen zu können. Er war mit sich zufrieden, ja hatte sogar Freude an seinen jüngsten, so ausgeklügelten Machenschaften. Es war ihm gelungen, in Jeryd Zweifel an der Treue seiner Frau zu wecken, und bald würde er ihm Marysa in Aktion vorführen.
»So«, murmelte Tuya und rappelte sich auf. Nur ein dünner blauer Kittel verhüllte ihre Kurven. Tryst überlegte, dass jemand von niedrigerer Gesinnung diese Gelegenheit ausgenutzt hätte, doch er besaß ja Anstand und Sitte.
»Sie sieht … vollkommen echt aus«, gab er zu.
Tatsächlich war die Lehmfrau eine genaue Nachbildung von Jeryds Gattin, die Tryst freilich nie nackt gesehen hatte. Ihre Reglosigkeit allerdings ließ sie wie eine Statue wirken, und er wusste nicht, was als Nächstes geschähe.
Am Vorabend hatte er Tuya an einen Ort geführt, an dem sie Marysa durch die eisigen Straßen hatten gehen sehen. Ein Vorteil seiner engen Zusammenarbeit mit Jeryd war, dass er die meisten Eigenarten der Frau seines Chefs mitbekam. Tryst hatte vor Marysa sogar seine Börse fallen lassen, sodass die Münzen um ihre Füße sprangen, damit Tuya sie aus möglichst großer Nähe mustern konnte.
Er wollte unbedingt dabei sein, wenn Jeryd dieser Doppelgängerin begegnete. Ein solches Vergnügen durfte er sich nicht entgehen lassen.
Eine Stunde später führte Tuya mit einigen Relikten seltsame Rituale durch. Tryst beobachtete das, so gut er konnte, und stellte ab und an Fragen, doch sie gab nur vage Antworten. Diese Frau hatte offenbar eine Geschichte, über die sie nie reden würde.
Dawnir-Magie ging über seinen Verstand wie über den jedes normalen Menschen, und er hatte den Eindruck, diesen Zauber niemals verstehen zu können. Er legte sich bloß auf Tuyas Bett und wartete darauf, dass sie die Figur zum Leben erweckte. Die Skulptur der Rumelin begann erst zu glühen, dann zu verblassen. Zu glühen und zu verblassen. Er wollte etwas sagen, doch Tuya hieß ihn mit einer Handbewegung schweigen. Hochkonzentriert umrundete sie die Figur und berührte sie da und dort, was durchaus erotisch anmutete. Die künstliche Rumelin zuckte ein wenig. Ihre Arme sprangen vor, als wollte sie jemanden umfassen, dann sanken sie wieder. Die Skulptur bewegte Arme, Beine und Hals, als müsste sie sich an ihren Körper gewöhnen und die Gliedmaßen einzusetzen lernen. Die Entdeckung der Beweglichkeit.
Dann begann die Gestalt, sich unvermittelt mit der fließenden Anmut der echten Marysa zu bewegen. Tuya war es gelungen, das Wesen von Jeryds Frau genau zu erfassen. Diese Hure war mehr als bloß ein Geheimnis. Tryst glitt vom Bett und spürte eine Gänsehaut auf den Armen. Er hatte es hier mit der Macht der Alten Gattung zu tun, und diese Macht arbeitete eigens für ihn. Es dauerte eine halbe Stunde, die Frau auf die von Marysa bevorzugte Weise anzuziehen. Das musste nicht perfekt sein, da Jeryds Gattin, was Kleidung anging, weit gefächerte Vorlieben hatte.
Beim Schminken saß die Marysa-Kopie am Frisiertisch und betrachtete sich wortlos im Spiegel.
Schließlich sank Tuya erschöpft aufs Bett und fragte Tryst gereizt: »War das jetzt endlich alles? Warum seid Ihr überhaupt noch hier?«
Er würde ihr eine weitere Dosis verabreichen müssen, hatte aber nicht mehr genug dabei. Außerdem musste er noch etwas besorgen, um es in Jeryds Getränk zu praktizieren. Er nahm einen alten Stammesschmuck (farbige Perlenschnüre, die an einer Kugel hingen), holte aus und schlug ihr damit auf den Kopf. Ächzend glitt sie zu Boden, und ein Rinnsal Blut lief über die Fliesen.
Die künstliche Marysa sah ihn
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