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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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neuen Hinweise mehr, und Jeryd fühlte sich allmählich niedergeschlagen. Auch Tryst schien über Tuya nicht viel herauszufinden, obwohl er sie nun schon lange beschattete. Morgen, dachte Jeryd, könnte ich sie selbst noch mal befragen gehen. Doch an diesem Abend begann er plötzlich seinem Gehilfen etwas mehr zu trauen. Dem jungen Mann lag daran, Zeit mit ihm zu verbringen, und er war in letzter Zeit ausgesprochen loyal gewesen. Vielleicht könnten sie die leidige Beförderungsfrage einfach abhaken und weitermachen wie früher. Womöglich war Jeryd zu streng mit ihm gewesen.
    »Ich habe einen Verdacht«, sagte er, »der nicht mit der Ermordung der Ratsherrn zusammenhängt.«
    »Nämlich?«
    Der Ermittler schwieg, da das Serviermädchen mit zwei Tees und einer Gebäckauswahl für Tryst an den Tisch kam. Der Gehilfe wählte in Windeseile zwei Kuchenstücke aus, und die Kellnerin ging davon.
    »Die Ovinisten sagen dir etwas?«, fragte Jeryd.
    Tryst sah ihm kurz in die Augen. »Ja … na ja, ich hab schon mal von ihnen gehört. Warum?«
    »Anscheinend ist das ein seltsamer kleiner Kult mit merkwürdigen Absichten. Natürlich ist er geächtet, weil es sich um eine unzulässige Religion handelt.«
    »Allerdings nicht am Priestertag«, erinnerte ihn Tryst.
    »Stimmt. Jedenfalls habe ich in den Büros der Toten Unterlagen gefunden, die darauf schließen lassen, dass Boll und Ghuda praktizierende Mitglieder dieses Kults waren.«
    »Was habt Ihr denn entdeckt?« Tryst wirkte plötzlich interessiert.
    »Die Nachricht eines Ovinisten an ein Ratsmitglied.« Jeryd beugte sich vor und fuhr leise fort: »Sie enthält Andeutungen eines Massakers. Tausende Flüchtlinge sollen niedergemetzelt werden. An diesem Plan wird offenbar schon seit einiger Zeit getüftelt.«
    Tryst runzelte die Stirn. »Das klingt … einfach zu verrückt. Das würde doch niemand zulassen.«
    »Sei dir da nicht zu sicher! Schließlich leben wir in seltsamen Zeiten – diese Morde im Rat; und die merkwürdigen Gerüchte, die aus dem Ausland zu uns dringen.«
    Die Kellnerin kehrte mit Trysts Gebäck zurück, und er begann zu essen.
    Jeryd nahm einen Schluck Tee. »Es kann eigentlich alles passieren, und Villjamur hat eine wechselhafte, gewalttätige Geschichte. Ein Massaker an der eigenen Bevölkerung wäre da gar nicht abwegig.«
    Für Jeryds Geschmack blieb Tryst etwas still. Doch da hörte der Gehilfe auf zu essen, sah über die Schulter des Ermittlers und bekam große Augen.
    Jeryd drehte sich um, und da saß doch tatsächlich seine Frau Marysa mit einem anderen Rumel am Tisch. Sie hielten Händchen, wie er im schwachen Kerzenlicht sah, und ihre Miene war freudig und aufgeschlossen. Ihr Begleiter war ein aalglatter Mistkerl mit weißem, pomadisiertem Haar, das zur Seite gekämmt war. Jeryd mochte es nicht glauben.
    Er war schon halb aufgestanden, als Tryst ihn am Ärmel griff und den Kopf schüttelte. »Jeryd, ich weiß, was Ihr denkt, aber Ihr wisst noch nichts Genaues. Achtet außerdem auf Euren Ruf bei der Inquisition –«
    »Zum Henker mit meinem Ruf«, knurrte er, doch seine Entschiedenheit ließ nach. Er holte mehrmals tief Luft und setzte sich wieder, um das Paar genauer zu beobachten.
    Es war wirklich Marysa. Sie lachte beflissen über die Scherze ihres Begleiters und warf ihm Blicke zu, die einst Jeryd vorbehalten gewesen waren. Wie er ihre Hände berührte! Wie sie mit ihm flirtete! Er drückte ihr die Lippen auf die Finger, als sie ihm die Hand hinhielt. Sein erwartungsvoller Blick, der einer Erwartung galt, von der Jeryd geglaubt hatte, sie sei allein ihm vorbehalten.
    Der Ermittler warf seinem Gehilfen einen Blick zu, und der schüttelte energisch den Kopf, obwohl auch er den beiden zugesehen hatte. »Trinkt Euren Tee!«
    »Denkst du, ich fühle mich nach einer verdammten Tasse Tee besser?« Die Leute in der Nähe blickten schon herüber.
    »Nein«, erwiderte Tryst leise, »aber vergesst nicht, dass Ihr ein Gentleman und ein sehr guter, hocherfahrener Ermittler seid. Ihr werdet all das doch nicht durch einen öffentlichen Eifersuchtsanfall zerstören.«
    Er fuhr mit der Hand rasch über Jeryds Tee.
    Nach einigen Minuten, in denen sich eine seltsame Wut seiner bemächtigte, stürmte Jeryd aus der Teestube und ließ Tryst zurück. Kaum war er draußen im Dunkeln, rutschte er auf der glatten Straße aus und stürzte aufs Gesicht. Seine Tränen fielen aufs Eis.
    Bis Jeryd endlich zu Hause war, hatte er sich mehr Prellungen zugezogen als in all

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