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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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natürlich schon lange alles Nützliche aus den Hinterlassenschaften der Dawnir geklaubt. Was heute noch übrig war, erinnerte nur daran, dass die Dinge einst größer gewesen waren und dass das Leben in Villjamur inzwischen primitiver und unzivilisierter war als in den großen alten Kulturen, in der Zeit der Qintan also und der Azimuth – und das trotz der ständigen Bemühungen der Stadt, dies hinter einer Fassade militärischer Eroberungen zu verbergen.
    Es war nur natürlich, dass sie sich auseinandergelebt hatten. Eines Abends hatte sie ihn erst angeschaut und dann lange durch ihn hindurchgestarrt, als hätte sie genau da überlegt, ob sie ihn verlassen solle. Es hatte keinen Streit und keine Diskussion gegeben, und er hatte nicht einmal fragen wollen, um keine schroffe Wahrheit zu hören.
    Als die Wahrheit ihn dann doch erreichte, war es kein so bitteres Ende, und das machte die Sache noch schlimmer. Wenn er manchmal die Augen schloss, konnte er ihre letzten Schritte hören, sah wieder vor sich, wie ihr Schwanz über die Schwelle glitt und die Tür sich endgültig hinter ihr schloss, und erlebte erneut, wie still es danach im Zimmer gewesen war. Er glaubte nicht, dass sie ihn eines anderen Rumels wegen verlassen hatte, und vermutete, in ihrem Leben habe es nie einen richtigen Mann gegeben und deshalb sei sie gegangen. Sie hatte nur eine Nachsendeadresse hinterlassen – und die Anweisung, er solle ihr nicht dorthin folgen.
    Jeryd wurde immer unzufriedener mit seinem Leben.
    Und dann hatten auch noch die Kinder, die ein paar Häuser weiter wohnten, wieder Steine gegen seine Fenster geworfen. Jeden Winter pfefferten sie regelmäßig Schneebälle an seine Tür, und er konnte nicht das Geringste dagegen ausrichten, weil sie als gewiefte Großstadtbengel im Gewirr der Gassen und Gänge verschwanden. Sie wussten, dass er Mitglied der Inquisition war, und dieses prestigeträchtige Amt machte ihn für sie zu einem umso reizvolleren Ziel. Er war zu ihrem Ehrenabzeichen, zur Schneeballplakette, zum Höhepunkt ihres Tages geworden.
    Mistkerle.
    Er sah gähnend vom Schreibtisch auf, als sein Gehilfe Tryst in sein Büro kam. »Lässt die Arbeit Euch bis in die Nacht hinein keine Ruhe, Jeryd?«
    »Wie immer«, gab der Ermittler zurück.
    Er musterte den jungen Menschen Tryst, ließ den Blick aber nicht auf seinem athletischen Körperbau, den hellblauen Augen oder dem dichten, dunklen Haar ruhen. Streng genommen war er nicht einmal neidisch, doch der junge Mann erinnerte ihn an seit etwa hundert Jahren vergangene Zeiten, als Jeryd noch darauf geachtet hatte, fit und gepflegt zu sein. Doch noch immer besaß der Ermittler einen scharfen Verstand; und er hatte seine Erfahrungen.
    Etwas stimmte nicht. »Was gibt’s diesmal?«, fragte er. »Geht es um die Beförderungen? Du weißt, dass ich dich für einen der besten Ermittlergehilfen halte. Inzwischen gehörst du für mich beinahe zur Familie, aber du bist ein Mensch – und Vorschriften sind Vorschriften.«
    Jeryd hatte ein schlechtes Gewissen, weil er Tryst nicht zur Beförderung vorgeschlagen hatte. Immerhin besaß der Gehilfe hervorragende Qualitäten und Talente und hatte sehr gute Arbeit geleistet und es so zu seiner gegenwärtigen Position gebracht. Sie hatten Hunderte von Fällen gemeinsam bearbeitet. Jeryd hätte ihn sehr gern vorgeschlagen, doch er wusste, wie die Mächtigen darüber die Stirn runzeln würden. Menschen durften in der Inquisition einfach keine höheren Posten bekleiden. Dafür lebten sie nicht lange genug – so einfach war das. Ein Rumel wurde in der Regel zweihundert Jahre alt; also konnte nur diese Gattung wirklich große Weisheit erwerben. Das war eine alte Vorschrift des ersten Kaisers, die das unbehagliche Nebeneinander der beiden humanoiden Gattungen ein wenig verbessern sollte. Gegen die Tradition durfte man nicht verstoßen – also würde Tryst nicht weiter aufsteigen.
    »Darum geht es nicht«, sagte Tryst und blickte kurz zu Boden. »Das ist schon in Ordnung.« Offenkundig war dieses Thema noch immer heikel, egal, was er sagte. »Nein, Ihr solltet besser mitkommen. Warkur ist nicht in der Stadt – darum müsst Ihr Euch die Sache ansehen.«
    »Ich hoffe, es geht nicht wieder um die Flüchtlinge«, meinte Jeryd. »Wir brauchen wirklich keine neuen Unruhen.«
    »Nein. Es geht um Mord.«
    »Mord?« Jeryd stand auf, und sein Schwanz war reglos.
    »Ja, und zwar an einer sehr bekannten Persönlichkeit«, erwiderte Tryst. »Wir haben die Banshee

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