Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
Rücken bequem und verschränkte die Arme hinterm Kopf.
Brynd erhob sich unvermittelt, da er in der Nähe Bewegung wahrgenommen hatte.
»Was ist?«, fragte Apium. »Hab ich ins Schwarze getroffen?«
Brynd hieß ihn mit einer Handbewegung schweigen.
Der Rotschopf rappelte sich auf und schaute in Brynds Blickrichtung. »Ich sehe nichts.«
Brynd bewegte sich mit großen, besorgten Augen nach rechts. Binnen Sekunden erkannte er, dass Apium ihn zwischen den Bäumen nicht mehr ausmachen konnte, während er selbst das blöde Gesicht des Hauptmanns sogar aus der Entfernung im Mondlicht schimmern sah. Wie es Apium gelungen war, in der Nachtgarde am Leben zu bleiben, entzog sich seinem Verständnis. Vielleicht verehrte er einen verfemten Gott, der etwas wusste, wovon kein anderer Kenntnis hatte. Die Wirkung der Spritzen jedenfalls, die die Soldaten dieser Eliteeinheit bei Dienstantritt verabreicht bekamen, dürfte sich mit den Jahren aufgrund von Apiums ausschweifenden Trinkgewohnheiten längst verflüchtigt haben.
Brynd ging langsam auf den Ort zu, wo er das Laub sich hatte bewegen sehen. Vorsichtig langte er nach seinem Säbel. Hinter einem jungen Baum gewahrte er ihn – einen nackten Mann, der ganz mit Erde beschmiert war. Brynd verzog das Gesicht, nahm einen Stein vom Boden und warf ihn. Obwohl er traf, blieb die Gestalt reglos und zuckte nicht einmal. Brynd warf einen zweiten Stein, aber nichts passierte. Er pfiff nach Apium.
Ein paar Sekunden später kam sein Kamerad durch den Wald an seine Seite geschwankt. »Was ist los?«
»Da drüben ist ein Mann.« Brynd wies mit dem Finger auf ihn. »Er ist nackt.«
»Nackt?«
»Sag ich doch.«
»Stimmt«, bestätigte Apium. »Was treibt der hier draußen ohne jede Bekleidung?«
»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte Brynd. Dies zu untersuchen, konnte nicht weiter schaden, oder? Schließlich war ansonsten sicher niemand in der Nähe. »Lasst uns weiter rangehen.« Er näherte sich dem Nackten, der sich schon einige Zeit nicht im Mindesten gerührt hatte. Sollte er ihr Kommen registriert haben, ließ er sich dies nicht anmerken.
»Sele von Jamur, Sir!«, begann Brynd in der Hoffnung, die traditionelle Begrüßung des Kaiserreichs würde dem Mann eine Reaktion entlocken. Nichts. Er musterte ihn von oben bis unten. »Ihr, äh … Ihr friert doch sicher?«
Apium schnaubte vor Lachen.
Der Mann rührte sich noch immer nicht, sondern sah nur mit leerem Blick vor sich hin. Vorsichtig näherten sie sich ihm bis auf Armeslänge und stellten fest, dass sein Gesicht so bleich war, als hätte man ihm alles Blut abgezapft. Seine Augen standen etwas schräg und blickten durch Brynd hindurch. Um den Nacken herum wies er seltsame Wunden auf. Dann fiel Brynd auf, dass sein Schädel ungleichmäßig rasiert war und da und dort noch schwarze Haarbüschel standen.
»Der sieht tot aus, oder?«, meinte Apium.
Brynd stupste dem Mann mit der Hand gegen die Brust. Noch immer keine Reaktion. Der Kommandeur trat beherzt vor und griff nach dem Handgelenk des Nackten. »Der ist tot – das schwöre ich bei Bohr.«
»Was?«, keuchte Apium. »Wirklich tot?«
»Ja. Kein Puls zu fühlen.« Er ließ die Hand los, und der Arm plumpste wieder herunter.
»Hier waren Kultisten am Werk«, warnte Apium und griff mit ängstlichem Blick nach Brynds Schulter. »Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu. Das gefällt mir nicht. Ich habe keine Ahnung, was sie mit ihm gemacht haben, aber wir sollten dem Kerl den Gnadenstoß geben und bei Fyir bleiben – oder uns mit Fyir sogar ein Stück entfernen.«
Brynd war völlig verblüfft und wusste nicht, was er von der Sache halten sollte. Als abgehärteter Soldat war er gewohnt, das Schlimmste zu sehen, doch dieser Mann zeugte von Technologien, die ihm vollkommen unbekannt waren. Welche Möglichkeiten hatte er? Falls sie ihn töteten, mochten andere nachkommen. Sollte er das riskieren? In ihrem erschöpften Zustand hielt Brynd es für das Beste, die Dinge zu lassen, wie sie waren, und in Villjamur Bericht darüber zu erstatten. »Ich glaube, Ihr habt recht. Das hier kann warten. Vielleicht schreibe ich darüber einen Bericht.«
Sie trugen Fyir behutsam zu den Ruinen eines Azimuth-Tempels.
Über diese Zivilisation war nur wenig bekannt, und bis auf etwas raffiniertes und verborgenes Mauerwerk war von diesem Bauwerk kaum etwas erhalten geblieben. Einer der Türme war eingestürzt und lag flach am Hang, gleich oberhalb von Dalúk. Flechten und Moos hatten ihn
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