Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
Vom Netzwerk:
geraten.
    Vor der Stadt wuchs eine zweite Stadt heran.
    Die Menschen waren voller Erwartung gekommen. Sie hatten gehofft, nicht ungeschützt draußen frieren zu müssen, wenn das Eis käme; dass die Hauptstadt des Kaiserreichs sie in ihrem Labyrinth beherbergen könnte; dass es genug Essen und Wärme gäbe. Dem Akzent nach waren sie aus Kullrún und von den Südfjorden gekommen, von Folke, Y’iren, Tineag’l und Blortath. Sie hatten ihre Habseligkeiten gepackt und sich zur Zufluchtsstadt aufgemacht. Doch Villjamur konnte während der bevorstehenden Kälteperiode von ungefähr fünfzig Jahren nur eine beschränkte Menschenzahl aufnehmen: So lautete die offizielle Direktive. Die Regierung wollte ihnen keine Zuflucht bieten. Wären sie Grundeigentümer gewesen, hätte sich ihnen vielleicht eine Tür geöffnet. So lagen die Dinge.
    Brynd empfand immer wieder starkes Mitleid, als er an den Zelten vorbeikam, und spürte das Bedürfnis zu helfen.
    Hinter ihm auf dem Karren döste Apium noch immer.
    »Hauptmann«, sagte Brynd energisch, und der Soldat schrak hoch.
    »Was? Sind wir angekommen, Kommandeur?«
    Die Pferde näherten sich dem Haupttor, einem hoch aufragenden Granitbau mit riesigen Eisentüren.
    »Sele von Jamur!«, wandte Brynd sich an einen Stadtwächter in blutroter Uniformjacke, der seine Fellmütze zurechtrückte und salutierte.
    »Sele von Jamur, Kommandeur Lathraea! Alles bestens?«
    »Es war schon besser«, erwiderte Brynd mürrisch.
    »Kommandeur, wir sind verpflichtet, den Inhalt des Karrens zu kontrollieren.«
    Brynd nickte in Kenntnis der Sicherheitsvorkehrungen. Der Wächter trat ans Gefährt, grüßte Apium und schlug die Decke über dem Verwundeten auf.
    »In Dalúk gab’s Ärger«, sagte Apium. »Er hat noch Glück gehabt.«
    »Was ist ihm zugestoßen?«, fragte der Wächter und deckte Fyir wieder zu.
    »Das wüssten wir auch gern«, gestand Brynd.
    Der Wächter reagierte mit jenem wissenden Lächeln, das unter Soldaten üblich ist. »Gut, Ihr könnt passieren.«
    Er gab Zeichen, das Tor zu öffnen. Als es ächzend aufging, kamen zwanzig weitere Stadtsoldaten heraus, um von vornherein jeden Versuch der Flüchtlinge zu unterbinden, in die Stadt zu gelangen – nicht, dass dazu eine Chance bestanden hätte, denn schließlich würden sie dazu zwei weitere Tore passieren müssen, die für sie so strikt verschlossen waren wie das erste.
    So kamen die Nachtgardisten nach Villjamur.
    Dort war gerade Priestertag. Zweimal im Jahr durften sonst verbotene Religionen öffentlich praktiziert werden. Die Straßen waren voller Priester aus den Stämmen ringsum, die mit einem Tagesvisum in die Stadt durften, dabei aber von den Soldaten des Infanterieregiments genau beobachtet wurden. Sulisten scharten sich um ihre aus Muscheln lesenden Priester. Noonisten standen halb nackt und mit Fischöl gesalbt im Kreis, hielten sich an den Händen und sangen ein Lied, während Katzen ihnen das Öl von den Beinen leckten. Ovinisten hielten Schweineherzen in die Höhe, wie es bei ihnen Sitte war, und ließen sich das Blut in den Mund tropfen. Anscheinend brachte sie das der Natur näher, doch Brynd vermochte sich weniger ekelerregende Wege zu diesem Ziel vorzustellen.
    Normalerweise durften nur Priester der offiziellen Götter Bohr und Astrid, die unter dem Schirm der Jorsalir-Kirche verehrt wurden, im öffentlichen Raum religiöse Verrichtungen vornehmen. Laut Überlieferung war es nur an diesen beiden Tagen gestattet, die Bewohner der Stadt mit anderen Religionen zu konfrontieren. Brynd fand all das ziemlich sinnlos, da man ohnehin gezwungen war, die Stadt zu verlassen, falls man sich für ein anderes Bekenntnis entschied.
    Er brachte die beiden Nachtgardisten, die den Angriff überlebt hatten, auf Hauptstraßen den Berg hinauf, wo es ruhiger wurde.
    Als er einen purpurnen Blitz bemerkte, sprang er vom Pferd.
    »Was ist los?«, fragte Apium verblüfft.
    »Bin gleich wieder da.« Brynd verschwand in einem schmalen Gang und entdeckte einen an die Mauer gelehnten Kultisten, der sich einen schlanken Zylinder, von dem ihm purpurne Funken auf die nackte Haut flogen, an die Brust drückte. Das Gerät war an seine Hand gebunden. Die Miene des Mannes bekundete Seligkeit und Schmerz. Brynd wandte sich angewidert ab.
    »Was war?«, wollte Apium bei seiner Rückkehr wissen.
    »Ein Magie-Junkie«, brummte Brynd und schwang sich wieder aufs Pferd.
    »Was?«, fragte Jamur Johynn und sah von seinem Esstisch auf.
    Der Kaiser mümmelte an

Weitere Kostenlose Bücher