Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
besiedelt.
»Die Stadtregierung«, begann Randur, »könnte doch die Flüchtlinge reinbringen und hier ansiedeln. Es mag recht eng sein, aber wenn es bedeutet, dass sie nicht sterben … «
Sie warf ihm einen herablassenden Blick zu, und Randur wusste, wann er den Mund zu halten hatte. Papus vermittelte den Eindruck, dass sie viel wusste und dass sie jeden, der ihr etwas zu schlau käme, mit großer Kunstfertigkeit erledigen würde.
Schließlich erreichten sie eine kaum wahrnehmbare Tür, die zu einem unterirdischen Zimmer führte. Papus klopfte und drehte sich zu Randur um. »Nur diese Kultisten können Euch bei dem, wonach Ihr sucht, helfen.«
Die Tür öffnete sich. Ein Glatzkopf in grauem Umhang tauchte auf und begrüßte sie beide.
»Das ist er«, erklärte ihm Papus mit besorgter Miene. Dann schritt sie rasch davon, und Randur machte sich daran, an nur einem Tag schon seinen zweiten Orden zu besuchen.
»Das also wurde mir versprochen«, schloss Randur. Er saß an einem Steintisch. Ihm gegenüber streckte sich Dartun Súr auf einem Sessel. »Und darum hieß es, Ihr könntet mir helfen.«
Das Zimmer strömte einen wunderbaren Geruch aus, der ihn an die mit Kräutern parfümierte Wäsche eines Mädchens denken ließ, das er einst gekannt hatte. Ansonsten war es schlicht und wartete weder mit sorgfältig arrangierten Relikten noch mit Behältern voll seltsamer Flüssigkeiten auf, weder mit konservierten Präparaten noch mit zerzausten Verrückten, wie er womöglich befürchtet hatte.
Dartun beugte sich im Sessel vor. Er blickte musternd, und seine Augen hatten etwas Beunruhigendes und Altersloses. Dafür, dass das Licht so trübe war, strahlten sie zu sehr. »Eine faszinierende Aufgabe, das muss ich Euch lassen. Aber durchaus machbar.«
Da zwischen ihnen peinliche Stille entstand, taxierte Randur sein Gegenüber. Mit seinem markanten Unterkiefer und einem auf unauffällige Weise muskulösen Körper sah Dartun ärgerlich gut aus. Irgendwie hatte er in der Stadt sogar ein wenig Sonne aufgetan, denn seine Haut besaß eine gesunde Farbe. Trotz der ergrauenden Haare hatte er jugendliche Züge, und Randur schätzte ihn auf etwa vierzig, obwohl er erfahrener wirkte.
»Einen schicken Umhang habt Ihr da«, sagte Randur, um das Schweigen zu brechen, und dachte dabei, dass auch ihm der Überwurf nach ein wenig Umarbeitung stehen würde. »Sehr dunkel. Was für eine Farbe ist das?«
»Ruß«, erwiderte Dartun. »Diese Farbe ist dunkler als selbst Schwarz.«
Nach einer weiteren Bedenkzeit fragte Randur: »Meint Ihr also, Ihr könnt mir helfen?«
»Natürlich.« Dartun wirkte über die unbedarfte Frage erheitert. »Das liegt sehr wohl in unserer Macht. Es ist sogar eines meiner Fachgebiete, sozusagen. Nein, ich überlege gerade, was Ihr im Gegenzug für uns tun könnt.«
Randur war klar, dass Papus’ Gefallen allein darin bestanden hatte, ihn mit Dartun bekannt zu machen. Mit diesem Kultisten würde er nun eine eigene Vereinbarung schließen müssen. »Vielleicht ist es ja hilfreich, dass ich demnächst im Haushalt des Kaisers eine Stelle antrete?«
»Beim alten Johynn? Das ist natürlich interessant. Und was genau werdet Ihr dort tun?«
»Dies und das«, erwiderte Randur kühl. Die Begegnung erfüllte ihn allmählich mit Angst. Er wartete kurz und fragte dann das Unausweichliche: »Wollt Ihr für Eure Hilfe bezahlt werden?«
»Aha, Randur Estevu! Nun kommt Ihr endlich zur Sache!«
»Ich hatte gedacht, Kultisten könnten sich leicht alle erwünschten Reichtümer verschaffen. Und wofür braucht ihr schon Geld?«
»Wunderbar, wie jeder annimmt, wir könnten alles tun, wie und wann es uns gefällt. Dabei sind unsere Fähigkeiten sehr speziell. Und so kostbar Relikte auch sind: Seinen Lebensunterhalt kann man davon nicht bestreiten. Ich muss die Mitglieder meines Ordens regelmäßig entlohnen, damit sie bei Laune bleiben. Geld ist da wirklich nützlich. Ich denke, um unsere Zeit und unsere Kosten für diese Aufgabe zu decken, sollten … vierhundert Jamún reichen.«
»Vierhundert?« Randur erhob sich bestürzt und war verblüfft darüber, dass jemand einer derartigen Bitte einen Geldwert zumessen konnte. Wurden im Herzen des Kaiserreichs die Dinge also auf diese Weise geregelt? Was hatte das noch mit Anstand zu tun? Er sah Dartun in die Augen, erkannte aber, dass sich mit dem Ordensleiter nicht streiten ließ.
»Nun, wie viel ist Euch ein Leben wert, Herr Estevu?«
Randur setzte sich wieder und fühlte sich
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