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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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einen abartig tiefen Säuglingsschrei aus.
    Dartun war verzückt und trunken vor Optimismus – war dieser Versuch endlich erfolgreich?
    Plötzlich sank die Gestalt wieder in den Tank zurück und zitterte nur noch leicht. Dann bewegte sie sich gar nicht mehr und war leblos wie ein Untoter vor der Operation.
    Erneut gescheitert!
    Er seufzte und wiederholte das Ganze mit den fünf anderen Shelley-Tanks auf dieser Zimmerseite, doch alle Probanden sanken letztlich tot nieder. Sie hätten erhalten geblieben sein sollen, denn ihr Inneres war verdrahtet, um Verwesung zu verhüten. Er erkannte in seinen Versuchen nur die Fruchtlosigkeit des Lebens und war erneut deprimiert und traurig. Diese Leute hatten keine andere Wahl gehabt, als ihm ihr Leben zu übergeben, und er hatte sie enttäuscht.
    Er wusste nicht einmal, ob es gut wäre, zu den Untoten zu konvertieren.
    Dartun war aufgebracht. Da er nur die Toten zur Gesellschaft hatte, trat er Gegenstände im Zimmer herum, und als ein Ordensbruder nachsehen kam, was los war, schob er ihn ungehalten wieder nach draußen. Er wusste, dass er sich unreif und haltlos aufführte, aber so war es nun mal, wenn er scheiterte. Er hasste es, er hasste, dass sein Leben ihn im Stich ließ.
    Dachte überhaupt jemand an seinen Tod, oder nahmen auch alle anderen an, er werde niemals kommen?
    Inzwischen schien jeder Tag nur noch einen Herzschlag lang zu währen.
    All diese Misserfolge ließen Dartun bloß noch eine Möglichkeit, nur eine Entscheidung im Lichte seiner kürzlich erworbenen Sterblichkeit: die Grenzen der Dawnir-Technologie bis zum Äußersten auszureizen. Falls er sterben musste, dann als Legende, als Pionier, an dessen Namen man sich erinnern würde. Es gab so viel, womit er sich ausführlich beschäftigt hatte, und nun würde er sein Wissen in die Praxis umsetzen. Und nicht nur das: Er musste einige außerordentliche Relikte finden. Denn hoch entwickelte Technologie war von Magie nicht zu unterscheiden, und ihm war die Technologie ausgegangen.
    Jedenfalls in dieser Welt.

KAPITEL 6
    Ermittler Rumex Jeryd saß an seinem Schreibtisch und fühlte sich als Opfer. Er hatte bereits die ersten Schneebälle der Kinder aus der Gamall Gata abbekommen. Diese Straße, mitten im Bezirk Kaiho gelegen, schien die kleinen Mistkerle geradezu auszubrüten, doch er konnte nicht nach Hause, weil sie ihm nur folgen würden. Den ganzen Tag über hatte es vor allem Schneeregen gegeben, und er hatte keinen Schimmer, woher sie so viel festen Schnee haben mochten. Wie auch immer: Sie hatten ihn viel zu früh geweckt. Als er sein Haus an diesem Morgen verließ, hatte er ihre kleinen Köpfe über die Mauern lugen sehen. In ihren Augen hatte böser Schalk gefunkelt, und sie hatten sich mit Pfiffen verständigt und einen Jargon der Straße benutzt, den er nicht verstand. »Hey, Jerrryd , pass auf, was von hinten kommt!«, hatten sie gerufen. Verhöhnt hatten sie ihn mit Sprüchen wie »Hey, Jerrryd , wo ist denn deine Alte abgeblieben? Brauchst du Gesellschaft? Wir haben dich sooo gern, Jerrryd! «.
    Gegen solche Kinder ließ sich nicht viel ausrichten. Man konnte vielleicht die Eltern verhaften, sofern sie greifbar waren, doch die kleinen Strolche würden rasch durch unzählige heruntergekommene Gassen türmen und sich der Festnahme entziehen.
    Jeryd war alt. Er konnte es nicht mit ihnen aufnehmen. Genauso wenig wie mit vielem, was sich in Villjamur zutrug.
    Auf dem Weg zur Arbeit hatte er eine Wochenzeitung gekauft und bestürzt festgestellt, dass der Tod des Ratsherrn es in die Schlagzeilen geschafft hatte. Er würde nun also mit dem Rat zusammenarbeiten müssen, und darauf war er wirklich nicht scharf.
    Rechts von ihm lag eine Akte, die ein Ermittler von der Nachtschicht dagelassen hatte. Sie enthielt die genaue Beschreibung weiterer Ausschreitungen in der Nähe der Stadttore und der Flüchtlingslager. Zwei der dort Zeltenden hatten schlimme Schwertwunden am Kopf erlitten. Sogar von Vergewaltigung war die Rede. Überall flammten Anklagen auf. Derweil wurden die hygienischen Verhältnisse in den Camps immer schlechter. Villjamurs rechtsradikale Aktivisten hatten demonstriert. Sie wollten nicht, dass diese »Typen« angesichts der heraufziehenden Eiszeit das stahlen, was »rechtmäßig« den Bewohnern der Stadt gehörte. Sie wollten nicht, dass Krankheiten nach Villjamur eingeschleppt wurden. Die Dinge hatten einen Grad von Hysterie erreicht, mit dem niemand vertraut war.
    Die Leute wurden immer wütender

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