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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Winde das Fliegen ungemein erleichtern. Ihr braucht nur eine kleine Strecke zurückzulegen, dann könnt ihr euch von ihnen im Steigflug tragen lassen.“
    „Steigflug können wir noch nicht“, wandte Gylfie ein. „Bis jetzt beherrschen wir nur den Steilstart.“
    „Das macht nichts. Wenn ihr den Aufwinden begegnet, wisst ihr von allein, was ihr tun müsst. Euer Gespür für die Beschaffenheit des Windes wird es euch sagen.“
    „Wer hält heute Nacht Wache?“
    „Jatt.“
    „Jatt!“, rief Soren erschrocken. „Ausgerechnet der! Wie willst du den ins Gewöllorium locken?“
    „Ich kriege ihn schon von der Bibliothek weg, keine Sorge. Und eine Ausgangserlaubnis für euch beide habe ich auch schon eingehol t – zwischen dem dritten und vierten Schlafmarsch.“
    Der dritte Marsch war eben um. Soren und Gylfie gingen zum Schlafaufseher ihres Abschnitts und zeigten ihre Ausgangserlaubnis vor. Der Aufseher blinzelte und ließ sie gehen. Ohne miteinander zu sprechen, liefen sie durch die Felsgänge, jeder war in seine eigenen Gedanken versunken. Und doch waren es die gleichen Gedanken, die sie beschäftigten, denn beide konzentrierten sich angestrengt darauf, so viel Selbstvertrauen wie noch nie aufzubringen, das Selbstvertrauen, tatsächlich fliegen zu können. Sie durften sich nicht davon beirren lassen, dass sie nur eine kleine Anzahl jener Flugmanöver beherrschten, die andere flügge gewordene Jungvögel ausgiebig üben konnten. Steigflug, Gleitflug und Rütteln kannten sie im Grunde nur aus Grimbels Beschreibungen.
    „Das sind doch alles bloß Wörter“, hatte Grimbel gebrummelt, wenn sie nach den Begriffen fragten, die sie bei den Gesprächen ihrer Eltern mit den großen Geschwistern aufgeschnappt hatten. Meistens war es Gylfie, die Grimbel mit solchen Fragen löcherte. Jedes Mal mahnte der Ältere: „Du denkst zu viel nach. Steigflug, Gleitflu g … das ist jetzt unwichtig. Ihr braucht nur zu wissen, wie man steil nach oben flieg t … Abstoßen! Kraftvoll schlagen! “ Bei jedem Wort ruckte er mit dem Kopf und richtete den unnachgiebigen gelben Blick auf seine beiden Schüler. „Darauf kommt es an, wenn ihr von hier fliehen wollt!“
    Darum beschäftigten sich Soren und Gylfie nun damit und gingen alles in Gedanken noch einmal durch. Der kraftvolle Abwärtsschlag, bei dem sich die Federn an den Flügelspitzen überlappen. Dann der Aufwärtsschlag, bei dem man die Federn wieder öffnen muss, damit die Luft ungehindert dazwischen hindurchströmen kann. Durch ihre Übungsstunden hatten beide ordentlich Muskeln bekommen, bestimmt waren sie die kräftigsten Jungvögel in ganz Sankt Ägolius. Allein das hätte ihnen ausreichend Selbstvertrauen einflößen müssen. Hatte die Welt je eine junge Elfenkäuzin wie Gylfie erlebt, die solch kraftvolle Abwärtsschläge führen konnte?
    Grimbel erwartete sie schon im Inventarium. Er spürte sofort, dass sich die beiden ganz auf das Bevorstehende konzentrierten. Das war schon mal gut. Jetzt musste er nur noch Jatt vom Eingang der Bibliothek weglocken. Günstig hierfür war, dass Grimbel beobachtet hatte, dass die Vettern Jatt und Jutt nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Vielleicht war Eifersucht der Grund, jedenfalls hatte Grimbel den Eindruck, dass Skench Jutt bevorzugte und ihn lieber auf Beutezüge mitnahm als seinen Vetter Jatt. Nach einer Schlacht gab es eigentlich jedes Mal Streit über die Verteilung der erbeuteten Kampfkrallen. Skench und Spoorn pickten sich vor Ort die besten heraus. Nach der Rückkehr wurden die übrigen Kampfkrallen dann sortiert und nach Rang und Leistung verteilt. Die Kampfkrallen-Sammelstelle des Sankt Äggie unterstand einem älteren Eulenmännchen namens Tumak.
    Grimbel hatte sich eine dreiste Lüge ausgedacht, die Jatt hoffentlich dazu bringen würde, seinen Posten zu verlassen. Er begann mit lauter Stimme eine Art Selbstgespräch zu führen. So kam es den verwunderten Jungvögeln jedenfalls vor, denn eine andere Eule war nicht in der Nähe.
    „Nein, so was! Auweia! In der Kampfkrallen-Sammelstelle gibt’s Ärge r … Da wird Jatt aber gar nicht begeistert sein. Ich sag ihm lieber Bescheid.“
    Als Grimbel vor dem Eingang der Bibliothek stand, und bis dorthin waren es nur wenige Schritte, hatte Jatt schon das Gefieder gesträubt und bebte vor Entrüstung. Er wirkte doppelt so groß wie sonst und wand sich in Qualen. Er platzte schier vor Fragen! Eben das hatte der schlaue Grimbel beabsichtigt und er trieb es noch

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