Die Legende der Wächter 11: Das Königreich (German Edition)
Gefährtin des bösartigen Dunleavy MacHeath gefristet. Damals war ihr Name noch „Horda“ gewesen. Nach langen Jahren hatte sie sich schließlich gegen ihren Peiniger aufgelehnt. Dunleavy hatte die Hinterlande heimlich verlassen und sich mit Fürst Arrin verbündet. Auf seinem Rückweg von Arrins Festung hatte Namara ihm aufgelauert und ihn getötet. Anschließend hatte sie Hoole vor der Verschwörung gewarnt.
Von da an galt sie bei ihren Artgenossen plötzlich als Heldin. Aber sie hatte von ihresgleichen die Schnauze voll gehabt. Während sie Dunleavy verfolgte, hatte sie neues Selbstvertrauen gewonnen. Sie hatte sich nicht mehr von den Resten ernähren müssen, die ihr die anderen Wölfe übrig ließen, sondern wieder selbst gejagt. Sie war wieder eine schöne, starke Wölfin geworden. Sie hatte auch ihren alten Namen abgelegt. „Ich bin jetzt mein eigener Clan. Mein Name lautet Namara MacNamara!“, hatte sie Dunleavy trotzig entgegengeschleudert.
Hoole kannte sich mit Wölfen gut aus. Er hatte eine Zeit lang mit Fengo zusammengelebt, dem Oberhaupt der Urzeitwölfe in den Hinterlanden. Er war mit der Zeichensprache der Wölfe und ihren Duftmarken vertraut. Er hatte sogar an einer Rentierjagd teilgenommen. Dabei hatte er sich fliegend in die „Byrrgis“ eingereiht, die strategische Laufordnung des Wolfsrudels. Er hatte sich so sehr in die Wölfe hineinversetzt, dass er auf einmal selbst wie ein Wolf empfunden hatte. Sein Schnabel hatte sich angefühlt wie eine Schnauze mit scharfen Zähnen, sein Gefieder wie ein Pelz. Seither konnte er sozusagen in den Wölfen lesen wie sonst nur im Feuer.
Das half ihm jetzt bei der Suche nach Namara. Er spürte, dass sie nicht weit sein konnte. Sie war auf der Jagd. Hatte sie es auf ein verirrtes Rentier abgesehen? Oder vielleicht auf einen Luchs? Mit jedem Flügelschlag wurde Hoole mehr zum Wolf. Das war beglückend und beängstigend zugleich.
Als der Mond dem Horizont entgegenglitt und sich anschickte, in eine andere Welt zu verschwinden, entdeckte Hoole die Wölfin. Wie er vermutet hatte, hetzte sie ein Rentier müde. Wegen der schmalen Kost im Winter war das Rentier mager und geschwächt. Die lange Verfolgungsjagd hatte es erschöpft. Es brach zusammen.
Hoole landete auf einem Baum. Er wollte das Ritual des Lochinvyrr nicht stören. Beim Lochinvyrr schauten Jäger und Beute einander in die Augen und trafen eine stumme Übereinkunft. Die Beute gab dem Jäger zu verstehen: Mein Fleisch wird dich nähren. Ich bin ein würdiges Opfer. Der Jäger erwiderte wortlos: Ich erkenne dein Opfer an und weiß es zu schätzen.
Als Namara dem Rentier den Todesbiss versetzt hatte, flog Hoole zu ihr hinunter. Die Wölfin hob den Kopf. „Hoole! Na, das ist ja mal eine Überraschung! Ich freue mich, dich zu sehen.“
Die herzliche Begrüßung stand in seltsamem Gegensatz zu ihrer blutverschmierten Schnauze. „Und, Kleiner? Was führt dich her? Oh, Verzeihung. Du bist ja jetzt König.“
„Lass gut sein. Ich bin immer noch derselbe Hoole. Aus Titeln mache ich mir nichts.“
Namara lachte. „Dann erzähl mir doch, was dich in diese einsame Gegend verschlagen hat.“
„Bist du denn einsam?“
„Eigentlich nicht. Außerdem habe ich die Einsamkeit selbst gewählt. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“
Hoole berichtete der Wölfin von seinem Zusammenstoß mit dem Dämon in Ambala. „Ich hatte den Verdacht, dass er nicht der einzige Dämon in der Gegend war. Deswegen habe ich im Feuer gelesen.“
Namara nickte und grub wieder die Zähne in den Rentierkadaver. Mit vollem Maul erwiderte sie: „Stimmt, du bist ja ein Feuerseher. Haben dir die Flammen verraten, wo die Dämonen sonst noch ihr Unwesen treiben?“
„Ihr Stützpunkt liegt in der Wüste Kuneer. Aber das Feuer hat mir noch etwas anderes offenbart.“
„Ach ja?“ Namara blickte auf. Ihre schmalen Augen funkelten. Hoole beugte sich vor und spähte hinein. Ja! Das ist das Grün aus meiner Vision!
„Ich glaube, dass das grüne Leuchten von Wolfsaugen das gelbe Fyngrott der Dämonenaugen außer Kraft setzen kann.“ Hoole zögerte. Dann holte er tief Luft. „Ich habe eine große Bitte an dich. Ich will ein Wolfsrudel in die Wüste Kuneer schicken. Du sollst die Leitwölfin sein. Versteh mich nicht falsch – ich bitte dich nicht darum, auf Dauer in die Hinterlande zurückzukehren. Ich weiß, dass du allein leben möchtest. Aber du bist die ideale Anführerin bei diesem Auftrag. Die anderen Wölfe
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