Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft
Plonk. Da kann eine kleine Aufmerksamkeit nicht schaden, stimmt’s?“ Sie kam aus der Höhle geglitten.
Soren drückte sich rasch in einen Winkel. Von dort hörte er Mr s P. schimpfen: „Erst behauptet sie, sie hat einen Muskelmagen, und dann geniert sie sich nicht, Oktavia mit Milchbeeren zu bestechen. Schamlos, so was!“
Soren beschloss, seinen Besuch bei der Blindschlange zu verschieben und stattdessen jemand anderem einen Besuch abzustatten. Hatte ihn Madame Plonk nicht eingeladen, auf ein Tässchen Tee bei ihr „vorbeizuschauen“? Dabei konnte er ihr doch erzählen, dass er eine ganz besondere Schlange kannte, eine Schlange mit eine r – wie pflegte Mr s P. das doch gleich zu nennen ? – einer „künstlerischen Ader“.
Zu Besuch bei Madame Plonk
„Ich möchte auf keinen Fall aufdringlich wirken, Madame Plon k …“ Soren konnte sich gar nicht richtig darauf konzentrieren, was er sagte, so gebannt war er von dem Anblick, der sich ihm in der Höhle der Sängerin bot.
An der Decke hingen unzählige Drehgläser und streuten farbige Lichttupfen nach allen Richtungen. Manche baumelten von Ästen, die in die Wand gesteckt waren. Durch mehrere Öffnungen fiel Tageslicht herein. Bestickte Stoffe mit wunderschönen Mustern schmückten den Boden und in einer kleinen Nische häuften sich bunt schillernde Perlenketten. Wohin man auch blickte, alles leuchtete in den berauschendsten Farben. Und mittendrin prangte ein blendend weißer Fleck: Madame Plonk selbst.
Soren schluckte und schlug die Augen nieder. „Es ist nur so, dass Mr s P. ziemlich schüchtern ist und sich nie getraut hätte, selber anzufragen.“
„Mr s P.? Ich habe ihre Bekanntschaft noch nicht gemacht, oder?“
„Sie ist mit mir zusammen hergekommen. Sie hat bei meinen Eltern als Nesthälterin gearbeitet.“
„Ach so. Und sie möchte gern in die Harfengilde aufgenommen werden?“
„Ja.“ Soren war schrecklich verlegen. Er kam sich blöd vor. Doch das war jetzt egal. Er wollte sich unbedingt dafür einsetzen, dass Mr s P. in ihre Lieblingsgilde aufgenommen wurde. Sie wünschte sich das doch so sehr. Als Madame Plonk nun den Schnabel aufmachte, kam es ihm vor, als könnte die Schnee-Eule Gedanken lesen.
„Wünschen allein genügt aber nicht.“
„Ä h … stimmt. Nur weil man sich etwas wünscht, heißt das noch lange nicht, dass es auch eintrifft.“
Madame Plonk nickte blinzelnd. „Kluges Kind. Und jetzt erklär mir doch mal, warum deine Mr s P. unbedingt in die Harfengilde aufgenommen werden sollte.“
Soren hatte eine Eingebung. „Na j a … manchen Schlangen geht es einfach nur darum, dass die Harfengilde von allen Gilden die angesehenste ist. Es heißt, dort werden nur Schlangen aufgenommen, die bei sehr alten, vornehmen Eulengeschlechtern gedient haben. Aber Mr s P. hat andere Gründe.“
„Ach ja?“ Es klang überrascht.
Soren beschlich die böse Ahnung, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Er holte tief Luft. Jetzt gab es kein Zurück mehr. „Ja, ich glaube, auf Ansehen und so etwas gibt Mr s P. keine zwei Gewölle.“
Madame Plonk blinzelte abermals.
Sie macht sich über mich lustig, dachte Soren, doch er fuhr fort: „Ihr geht es nicht darum, welche Gilde das höchste Ansehen genießt, sie sucht eine Gilde, in der sie ihre künstlerische Ader am besten verwirklichen kann.“
Madame Plonk schnappte hörbar nach Luft. „Soso. Was meinst du mit ,künstlerischer Ader‘?“
Auweia, dachte Soren. Es kam ihm vor, als hätte er statt seines Magens ein großes Loch im Bauch. Er hatte nämlich keine Ahnung, was eine „künstlerische Ader“ war. Trotzdem stimmte das, was er gesagt hatte.
Madame Plonk wartete geduldig.
Soren gab sich einen Ruck. „Mr s P. hat erzählt, dass sie bei der Einführungsveranstaltung der Gilden versucht hat, die Harfentöne mit Ihrem Gesang zu verflechten, damit ein ,überwältigender Gesamtklang‘ entsteht. Das waren ihre Worte. Ich glaube, so spricht nur eine echte Künstlernatur.“
Eine Weile war es still. Dann seufzte Madame Plonk tief und ergriff mit der Kralle ein von den Mitgliedern der Spitzenklöpplerinnen-Gilde gefertigtes Taschentuch. Sie putzte sich den Schnabel und tupfte sich die Augen. „Eine Schleiereule wie du ist mir noch nie begegnet.“ Soren wusste nicht recht, ob das gut oder schlecht war. „Ich muss dich nun bitten zu gehen, weil ich gleich das Schlaflied singen muss. Übrigens habe ich gehört, dass du dich bei den Wetterfliegern tapfer schlägst.“
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