Die Legende der Wächter 3: Die Rettung
s …“ Smatt schielte zu Poot hinüber und spreizte die Schwingen. Ein stinkendes Wölkchen stieg den Eulen in die Nasenlöcher. „Ich muss weiter.“ Schon war er aufgeflattert und davongeflogen.
„Was machen wir denn jetzt, Poot?“ Silber klang ängstlich.
„Tja, wie Ruby schon gesagt hat: Wir haben keine andere Wahl, als hierzubleiben und abzuwarten. Hoffentlich scheuchen wir keine Geisterschnäbel auf.“
„Geisterschnäbel!“, riefen Nussknacker und Silber erschrocken aus.
„Ach, die gibt’s doch gar nicht.“ Wie zum Beweis schwang sich Martin in die Lüfte und hielt nach einem Baum Ausschau, auf dem er sich bequem niederlassen konnte.
„Sieh dir den Baum vorher gut an, ob nicht doch ein Geisterschnabel drin wohnt!“, rief ihm Poot nach.
Vielleicht können Geisterschnäbel Martin nicht mehr schrecken, nachdem er erst in ein Regenband gesogen und dann ins Meer gestürzt ist, dachte Soren bei sich.
„Geisterschnäbel“ nannte man die körperlosen Seelen verstorbener Eulen, die es nicht bis nach Glaumora geschafft hatten. „Glaumora“ war das Eulenparadies. Dort weilten die Seelen der Toten.
Nussknacker und Silber waren nicht so unbekümmert wie Martin. Die beiden Jungeulen brachen vor lauter Angst in hemmungsloses Schluchzen aus.
„Jetzt reißt euch gefälligst zusammen!“, schimpfte Otulissa. „Martin hat ganz Recht, es gibt keine Geisterschnäbel. Sie sind bloß eine optische Täuschung. Strix Emerilla hat darüber nämlich ein äußerst lesenswertes Buch mit dem Titel Trugbilder aus Lich t – Spektroskopische Ausnahmeerscheinungen verfasst.“
„Stimmt gar nicht! Geisterschnäbel gibt es!“, widersprachen die beiden Eulenkinder in schrillem Ton und Nussknacker setzte noch eins drauf: „Hat meine Großmutter gesagt!“
„Ich will nichts mehr von euren Großmüttern hören! Was meinst du, wie lange wir hierbleiben müssen, Poot?“
„Bis der Orkan weitergezogen ist.“ Der Raufußkauz deutete mit dem Schnabel auf Silber und Nussknacker. „Ich will die Kleinen nicht überfordern.“
Damit war Nussknacker gar nicht einverstanden. „Und stattdessen sollen wir hier bei den Geisterschnäbeln bleiben?“
Er brach wieder in Gejammer aus und Silber stimmte sofort mit ein.
Ruby flatterte auf und landete vor den beiden verstörten Neulingen. Sie plusterte sich zornig auf, bis sie doppelt so groß wirkte wie sonst. Vor den bleich leuchtenden Bäumen glich sie mit ihrem rötlichen Gefieder einem glühenden Holzkohlebrocken. „Ich kann euer Geschrei nicht mehr hören! Von mir aus kann hier auf jedem Baum ein Geisterschnabel sitzen, das ist mir so was von egal! Ich bin völlig erledigt vom Fliegen und mir knurrt der Magen. Ich will nur noch eine schöne dicke Maus oder ein Erdhörnchen. Und dann möchte ich endlich schlafen. Wenn ihr beide nicht sofort den Schnabel haltet, könnt ihr was erleben!“ Die anderen Eulen machten erstaunte Gesichter.
Otulissa sagte beschwichtigend: „Ich finde auch, wir sollten einen Jagdtrupp losschicken.“
„Ganz recht!“ Poot flog über seiner Brigade auf und ab. „Man weiß nie, was man in Wäldern wie diesen so alles findet.“
Soren, Ruby und Martin spürten, dass Otulissa den Raufußkauz in Verlegenheit gebracht hatte. Poot war zum Anführer einfach nicht geschaffen. Ezylryb war nicht zu ersetzen, das merkten die drei schmerzlicher denn je.
Immerhin schien Poot guten Willens und gab sich Mühe, wie ein echter Brigadeführer zu klingen: „Soren und Rub y – ihr sucht den nordöstlichen Abschnitt des Waldes ab. Haltet euch ran, hier warten hungrige Schnäbel! Martin und Otulissa nehmen sich den Südwesten vor. Ich bleibe bei den beiden Kleinen.“
„Ha!“, machte Ruby verächtlich, als sie und Soren losflogen. „Wetten, Poot hat uns losgeschickt, weil er sich selbst vor Geisterschnäbeln fürchtet? Hast du denn Angst, Soren?“ Über den Baumkronen lichtete sich der sonderbare Nebel, der unten zwischen den hellen Stämmen waberte.
„Irgendwie scho n …“, erwiderte der junge Schleiereulerich.
„Wenigstens bist du ehrlich. Aber was meinst du mit ,irgendwie schon‘?“
„Ich finde die Vorstellung, dass es Geisterschnäbel gibt, eher traurig als beängstigend. Eulenseelen, die es nicht bis nach Glaumora geschafft habe n … Ist das nicht furchtbar traurig?“
„Kann man so sehen“, entgegnete Ruby nur.
Soren fand diese Erwiderung ein bisschen oberflächlich, andererseits war Ruby keine Eule, die sich gern mit solchen Fragen
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