Die Legende der Wächter 3: Die Rettung
Nickhaut, das durchsichtige Häutchen, das immer wieder über den Augapfel glitt, hatte ordentlich zu tun, den durch die Luft wirbelnden Schlamm und Tang abzuhalten. Doch Soren sah nur immer den kleinen Martin vor sich, wie er von dem Orkan mitgerissen wurde. Im Auge selbst war es windstill, aber wenn eine Eule in die Umrandung geriet, wurde sie immer rundherum gewirbelt. Der Sturm riss ihr die Flügel ab und sie rang vergeblich nach Luft, bis sie erstickte.
Die Böen legten sich ein wenig, die feuchtwarmen Aufwinde wurden von kühleren Luftströmungen verdrängt. Dafür fing es heftig zu regnen an. Die Tropfen prasselten wie Hagel auf die Eulen ein, der See unter ihnen schien zu kochen und zu dampfen.
„Achtung, Brigad e – SSF einnehmen!“, kommandierte Poot. Sofort flogen die Eulen in Standardflugformation. Doch als Soren sich umsah, fehlte Martin auf seiner Steuerbordseite. Soren legte den Kopf in den Nacken und erkannte über sich Rubys rötliches Bauchgefieder. Die junge Sumpfohreule schaute zu ihm hinunter und schüttelte bekümmert den Kopf. Hatte sie Tränen in den Augen? Aber vielleicht waren es auch nur Regentropfen.
„Brigadenappell!“, befahl Poot. „Meldung machen!“
„Ruby auf Position!“
„Otulissa auf Position!“
„Soren auf Position!“
Dann kam nicht s … nur Stille. Oder war da ein ersticktes Keuchen?
„Mitglied abwesend. Weitermachen!“, sagte Poot.
Abwesend? Weitermachen? Soren traute seinen Ohren nicht. Ehe er Einspruch erheben konnte, quäkte es schrill: „Silber auf Position!“
„Nussknacker auf Position. Mir ist übrigens schlecht.“
Soren hielt es nicht mehr aus. „WO UM GLAUX’ WILLEN IST MARTIN?!“, schrie er.
„Abgetrieben“, erwiderte Poot unbeirrt. „Ein Fall für die Rettungsbrigade.“
Da vernahm man erstickte Würgelaute. Beißender Gestank drang ihnen in die Nasenlöcher. Erst dachte Soren, Nussknacker hätte sich übergeben, aber dann tauchte aus dem Dampf über dem Hoolemeer eine Möwe auf. Im Schnabel trug sie ein triefendes Bündel.
„Martin auf Position!“, keuchte der kleine Sägekauz.
Im Geisterwald
„Keine Ahnung, ob es an der Bauchlandung im Wasser oder an dem Gestank liegt, aber mir ist immer noch ein bisschen schwummerig. Trotzde m … von heute an gibt es für mich keinen lieblicheren Duft als Möwenmief! Vielen, vielen Dank!“ Martin nickte seinem Retter Smatt herzlich zu.
„Keine Ursache, Kleiner.“ Das ältere Möwenmännchen senkte bescheiden den Kopf.
Erst hatte der Sog der Augenwand Martin steil in die Höhe getragen, dann war die warme Luftsäule von einer kalten Luftströmung verdrängt worden. In dem so entstandenen Abwärtssog war Martin geradewegs ins Meer geplumpst. Smatt, der zwischen den kalten und warmen Luftströmungen hin und her gekreuzt war, hatte den Sägekauz erspäht, sich ins Wasser gestürzt und Martin wie einen Fisch mit dem Schnabel gepack t – nur dass Martin viel kleiner war als jeder Fisch, den eine Möwe als ernst zu nehmende Beute betrachten würde.
Die Eulenschar war auf einer bewaldeten Halbinsel gelandet, die ins Hoolemeer ragte. Dort schienen sie erst einmal außer Gefahr zu sein, auch wenn der Wald Soren, als er sich jetzt umsah, ziemlich merkwürdig vorkam. Die Rinde der Bäume war schneeweiß, ihr Geäst war gänzlich kahl, und obwohl es Nacht war, ging von den Stämmen ein seltsames Leuchten aus, das sogar den Mond in den Schatten stellte.
Otulissa beobachtete den Himmel und verkündete: „Ich schätze mal, wir befinden uns hier in der Zone zwischen den Regenbändern.“
Soren ärgerte sich. Otulissa versuchte die Wetterlage zusammenzufassen, wie es Ezylryb immer getan hatte. Der Raufußkauz Poot, der vertretungsweise die Brigadeleitung übernommen hatte, war zugegebenermaßen kein großer Wetterkundler, dafür war er ein echter Meisterflieger. Musste Otulissa sich da als Wetterexpertin aufspielen?
Poot sah sich beklommen nach allen Seiten um. „Entweder das oder wir sind in einem Geisterwald gelandet.“
Alle Eulen erschauderten.
„Ein Geisterwald?“, wiederholte Martin leise. „Davon habe ich schon gehört.“
„Von Geisterwäldern zu hören ist sehr viel harmloser, als die Nacht in einem zu verbringen“, gab Poot zurück.
„Aber bleibt uns denn etwas anderes übrig?“, warf Ruby ein. „Der Orkan hat sich noch längst nicht ausgetobt, ich habe mich ja vorhin ein bisschen umgesehen. Das Schlimmste kommt erst noch. Ich kann euch nur warnen!“
„Ä h … Kumpel
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