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Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung

Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung

Titel: Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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beiden Seiten glichen einer hässlichen Wunde.
    „Wamme?“, fragte Digger.
    „Die war seit ihrem angeblichen Nervenzusammenbruch auf Strix Strumas Abschiedsfeier nicht mehr in der Bibliothek.“
    „Aber wer tut so etwas?“, fragte Digger fassungslos.
    In diesem Augenblick waren von draußen aufgeregte Rufe zu hören und Ruby kam durch das Himmelsloch herein. „Primel ist verschwunden!“
    „Waaas?“ , riefen die Eulen im Chor.
    „Sie ist heute vom Nachtflug nicht zurückgekehrt.“
    Alle Köpfe wandten sich nach Eglantine um. „Ist dir nichts aufgefallen?“, fragte Soren.
    „Ich bin schon früh wieder zurückgekommen und gleich schlafen gegangen. Heute Abend bin ich spät aufgewacht und dachte, Primel wäre einfach nur vor mir aufgestanden. Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen.“
    Digger beobachtete Eglantine. Das Schleiereulenmädchen wirkte seltsam gleichgültig.
    Die Eulen im Baum wurden sogleich in Suchtrupps eingeteilt. Jeder Suchtrupp wurde von einem erfahrenen Spurenleser aus der Kundschafterbrigade begleitet und von einem Mitglied der Rettungsbrigade angeführt.
    In fünf Minuten sollten sie ausschwärmen. Eglantine flog rasch noch einmal in ihre Schlafhöhle.
    „Was ist denn los?“, fragte Ginger.
    „Primel hat sich verflogen.“
    „Ach so.“ Ginger gähnte.
    Eglantine blinzelte, und ihr war, als wäre sie ganz kurz aus ihrem Gefieder geschlüpft und könnte sich von außen sehen. Primel ist meine beste Freundin. Warum macht es mir nichts aus, das sie verschwunden ist? Warum höre ich mich so gleichgültig an? Bin das noch ich? Sie kam sich vor wie eine Fremde, deren Magen angesichts von Primels Verschwinden gänzlich unbeteiligt blieb. Magen? Was war eigentlich mit ihrem Magen los? Er hatte sich schon seit Tagen nicht mehr gerühr t – ach was, seit Wochen!
    Überraschenderweise geriet sie deswegen nicht in Panik. Mit mir stimmt etwas nicht, aber warum interessiert mich das nicht? Mich interessiert nur, wann ich das nächste Mal zu Mama kann, und es stört mich nicht mal mehr, dass sie mich andauernd „Herzchen“ nennt, statt „Tinchen“ wie früher. Eglantines Magen hatte noch nicht einmal gezwickt, als die anderen Eulen das Buch mit den herausgerissenen Seiten entdeckt hatten. Sie hatte kein schlechtes Gewissen verspürt, aber auch keine Freude über ihren Diebstahl, dabei hatte sich Mama so gefreut, als sie ihr die Blätter gebracht hatte. Eglantine wusste gar nicht mehr, wie sich Freude oder auch Kummer anfühlte. Sie hätte über Primels Verschwinden traurig sein müssen, aber das war ihr irgendwie zu anstrengend. Erst jetzt ging ihr auf, dass das nicht normal war. Ihr Magen war so reglos wie ein Stein. Sie schaute zu Ginger hinüber und sagte fast verwundert: „Primel ist meine beste Freundin, aber ich bin gar nicht traurig oder so.“
    „Ist sie denn wirklich deine beste Freundin?“ Ginger kam zu Eglantine hinüber. „Oder bin ich deine beste Freundin?“
    Eglantine sah Ginger lange an, dann erwiderte sie: „Nein, ich glaube nicht.“ Dabei spürte sie zum ersten Mal seit Tagen, wie sich ihr Magen kaum merklich regte.
    „Wie du meinst“, entgegnete Ginger gelassen.
    Eglantine war Diggers Suchtrupp zugeteilt worden. Der Höhlenkauz war der beste Spurenleser im ganzen Baum. Eglantine war in der Ausbildung zur Retterin und beherrschte bereits die Grundregeln ihrer Brigade, zum Beispiel, dass man bei der Suche nach einem Vermissten als Erstes nach Krähen Ausschau halten sollte. Eulen, die tagsüber allein unterwegs waren, wurden oft von Krähen verfolgt und angegriffen. Außerdem spitzten die Retter natürlich die Ohren, ob von irgendwoher Hilferufe ertönten. Schleiereulen wie Eglantine waren für ihr außerordentlich feines Gehör bekannt. Ihre Ohren saßen verschieden hoch am Kopf und ihr Gesichtsschleier verstärkte die leisesten Geräusch e – Schleiereulen hören das Herz einer Maus schlagen, die tief unter ihnen über den Waldboden huscht. Doch Eglantine stellte fest, dass sie nicht so gut hörte und sah wie sonst. Na und? Wieder wunderte sie sich über ihre Gleichgültigkeit. Was heißt hier „na und“? Es kann mein Tod sein, wenn mich mein Sehsinn und mein Gehör im Stich lassen. Ich müsste vor Sorgen außer mir sei n … aber ich bin ganz ruhig. Was ist bloß mit mir los? Was ist mit mir passiert?
    „Bei Glaux!“ Das war der kleine Sägekauz Martin, ein guter Freund von Soren. „Mach die Augen auf, Eglantine! Du wärst beinahe in mich

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