Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe
und Morgengrau aus.
„Dumpy?“, wandte sich Martin an Ruby. „Was ist das denn für ein komischer Name?“
„Meiner!“, antwortete der Papageientaucher selbstbewusst. „Und das hier ist mein Sohn, Klein-Dumpy. Ich hätte nicht geglaubt, dass wir uns noch mal wiedersehen, Soren.“
„Du hast einen Sohn?“, fragte Soren verblüfft. Der Papageientaucher hatte seinen Sprössling inzwischen unter den Flügel geklemmt.
„Klar doch. Ist das nicht großartig?“
„Großartig? Aber du bist jünger als wir!“ Als sie sich zum ersten Mal zum Großen Ga’Hoole-Baum aufgemacht hatten, hatte ein Williwumm Soren und seine Freunde in die Eisklamm verschlagen. Dort hatten sie eine Papageientaucherfamilie kennengelernt. Dumpy war damals noch ein Küken gewesen. „Ich kann’s nicht glauben, dass du schon Vater bist“, sagte Soren.
„Tja, so ist das bei uns Papageientauchern. Wir werden schon früh paarungsreif.“
Soren und Gylfie wechselten einen Blick. Beide hatten den gleichen Gedanken: Paarungsreif und reif ist nicht dasselbe. Papageientaucher sind und bleiben die dümmsten Vögel der Welt, ob sie nun noch Kinder sind oder schon ausgewachsen. Und jetzt hat Dumpy selbst schon ein Küke n – das ist doch absurd!
„Wir wollen zur Eisklamm“, ergriff Gylfie das Wort. „Ist es noch weit?“
„Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht so schlau wie ihr.“ Dumpy gurgelte albern. Bei Papageientauchern klingt Lachen wie Gurgeln.
„Was machst du eigentlich hier und wieso wäre dein Sohn beinahe mit mir zusammengestoßen?“, mischte sich nun auch Digger in die Unterhaltung.
„Ihr habt Glück. Heute ist eine ganz besondere Nacht“, lautete die rätselhafte Antwort.
„Wieso?“, fragte Soren.
„Heute ist Große Kükenkarambolage.“
„Große Küken-was?“, fragte Morgengrau verständnislos und schimpfte gleich darauf: „He, pass doch auf!“, als ein Papageientaucherkind gegen seinen Flügel prallte.
„,Große Kükenkarambolage‘ nennen wir Papageientaucher die Nacht, in der unsere Kinder ihren ersten Flug über dem Meer unternehmen. Die Kleinen sind noch unsicher auf den Flügeln, deswegen kommt es öfter mal zu Abstürzen oder Zusammenstößen.“
„Das ist uns auch schon aufgefallen“, entgegnete Soren. Bei sich dachte er: Papageientaucher sind so miserable Flieger, dass sie niemandem das Fliegen beibringen sollten, nicht mal ihren eigenen Kindern.
„Eisklamm voraus!“, meldete Gylfie.
„Schön, dass einer weiß, wo wir hier sind“, freute sich Dumpy. „Komm, Dumpylein! Du fliegst hinter Papa her und Papa fliegt hinter den schlauen Vögeln her.“
Kurz darauf drängten sich alle in einem der Eisnester, mit denen die Klamm übersät war. Die Papageientaucher erspähten in der eisbedeckten Steilwand Spalten und Nischen, die andere Vögel leicht übersehen hätten.
Fische fangen können sie meisterhaft , dachte Martin, der zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem eigenartigen Völkchen machte. Er saß auf dem Nestrand und beobachtete Dumpys Frau unten im Wasser. Als sie mit vollem Schnabel wieder auftauchte und die gefangenen Fische stolz auf dem Boden des Nestes aufreihte, rief er unwillkürlich: „Bravo!“
„Großartig, Tuppa!“, lobte auch Dumpy seine Gefährtin. „Eine Frau wie dich gibt es kein zweites Mal!“ Bewundernd betrachtete er erst seine Gattin und dann die Fische.
„Sag mal, Dumpy-Liebling, wie hat sich denn unser Kleiner heute Nacht geschlagen? Hat er viele Zusammenstöße gebaut?“
„Oh ja. Sehr viele sogar!“
„Toll!“ Tuppa hüpfte von einem orangefarbenen Schwimmfuß auf den anderen.
Digger meldete sich zu Wort: „Nichts für ungut, Gnädigste, aber was ist so toll daran, wenn ein Küken beim Fliegenlernen dauernd mit jemandem zusammenstößt?“
Tuppa hörte zu hüpfen auf. Sie knackte laut mit dem Schnabel und eine dicke Träne rollte über ihre Wange.
Dumpy trat sofort zu ihr und tätschelte ihr den Rücken. „Beruhige dich, Liebling.“
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte Digger erschrocken. „Das wollte ich nicht.“
Aber Tuppa hatte sich schon auf den Boden geworfen und schluchzte so heftig, dass ihre breite Brust bebte.
Dumpy wandte sich an die Gäste und sagte beschwichtigend: „Ist nicht so schlimm. Das geht gleich vorbei.“
„Nicht so schlimm?“, kreischte Tuppa, sprang auf und verpasste ihrem Mann einen derben Schnabelhieb. „Unser einziges Kind verlässt uns und das soll nicht schlimm sein?“
„Wieso verlässt
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