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Die Legende der Wächter – Der Zauber

Die Legende der Wächter – Der Zauber

Titel: Die Legende der Wächter – Der Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Stimme, sondern auch für meine Seele. Ich habe zugeschaut, wie das Dunkel dem Hell wich und die Sonne über den Horizont emporstieg …“
    Sie redet ja wie die reinste Dichterin , dachte Otulissa. Madame Plonk tupfte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    „Und dann … Es ist einfach nicht zu glauben …“
    „Was ist nicht zu glauben, Madame Plonk?“, fragte Otulissa geduldig.
    „Man will mir meine Krönungstasse wegnehmen!“ Abermals brach sie aufschluchzend zusammen.
    Gütiger Glaux in Glaumora, was soll ich bloß mit ihr machen? Otulissa betrachtete ratlos den wogenden Federhügel, seufzte und fragte dann in ruhigem Ton: „Wer ist ‚man‘? Wer will Ihnen Ihre Teetasse wegnehmen?“
    Madame Plonk hob den Kopf und entgegnete scharf: „Es ist nicht irgendeine Teetasse, es ist die Krönungstasse von Königin E.!“
    „Na schön, also wer will Ihnen Ihre Krönungstasse von Königin E. wegnehmen?“
    „Die Glutpriesterinnen.“
    „So eine Waschbärkacke!“, entschlüpfte es Otulissa. „Wozu das denn?“
    „Sie wollen die heilige Asche darin aufbewahren.“
    „Das geht jetzt aber endgültig zu weit!“, sagte Otulissa. Wenn selbst Madame Plonk von dem ordinären Kult um die Glut den Schnabel voll hatte, war das ein Alarmzeichen.
    „Ich weiß zwar auch nicht, wann dieser ganze Unsinn endlich aufhört, aber Primel kann Ihnen bestimmt helfen“, sagte Otulissa. „Sie gehört doch auch zu den Glutpriesterinnen, oder?“
    „Ja, schon … aber sie … wie soll ich es sagen … sie geht in ihrem neuen Amt ganz und gar auf. Sie ist nicht mehr dieselbe. Das sagt sogar ihre beste Freundin, Sorens Schwester Eglantine. Wussten Sie schon, dass Primel neuerdings Stücke schreibt?“
    „Davon habe ich gehört. Sie soll sehr begabt sein.“
    „Ist das nicht seltsam? Auf einmal merken wir alle, dass viel mehr in uns steckt, als wir immer dachten. Ich zum Beispiel hätte mir nie träumen lassen, dass ich die hohen Töne der Mondscheinkantate mühelos singen kann. Ich brauche vorher nicht mal Luft zu holen. Das gelingt mir erst, seit die Glut hier im Baum ist.“ Madame Plonk machte eine Pause. Dann richtete sie sich hoch auf und ihre gelben Augen loderten. „ ABER MEINE KRÖNUNGSTASSE GEBE ICH NICHT HER ! NIE UND NIMMER !“
    „Und was habe ich damit zu tun?“, fragte Otulissa.
    „Ich wollte Sie bitten, die Tasse bei sich zu verstecken. Niemand wird in dieser Höhle eine solche Kostbarkeit vermuten.“ Madame Plonk schaute sich in der kargen Unterkunft um. Ihr Blick war zugleich verächtlich und mitleidsvoll.
    Hinterher konnte Otulissa selbst nicht mehr begreifen, weshalb sie auf die Bitte eingegangen war. Vielleicht hatte es mit ihrem Gefühl zu tun, dass im Baum verkehrte Welt herrschte, und mit ihrem Ärger über das Getue, das um die Glut veranstaltet wurde. Was, bitte schön, gab diesen dummköpfigen Eulen das Recht, persönliche Besitztümer für ihre albernen Zwecke zu beschlagnahmen? Ein Altar für Aschekrümel! Und die sonst so vernünftige Primel, ein verantwortungsvolles Mitglied der Rettungsbrigade, fiel auf so etwas herein!
    Ich muss wohl mal ein ernstes Wort mit ihr reden , dachte Otulissa, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Eine Teetasse konnte man verstecken, aber das gesprochene Wort konnte man nicht mehr zurücknehmen. Worte konnten belauscht und weitergesagt werden. Zum ersten Mal, seit Otulissa im Großen Baum lebte, herrschte dort eine Stimmung gegenseitigenMisstrauens. Alle hatten Angst, offen zu sagen, was sie dachten. War das sogenannte „Goldene Zeitalter“, das im Baum angebrochen war, etwa der Beginn seines Unterganges?
    Ach, wie sich Otulissa nach einer weißen Zeit sehnte, wie es sie früher gegeben hatte! Einem richtigen Winter, in dem die Milchbeeren weiß wurden wie gebleichte Knochen und die schwarzen, laublosen Äste sich grimmig wie ein Gerippe vor dem Winterhimmel abzeichneten.

Coryn bedeutete der Bande, sie möge auf dem Ast sitzen bleiben. Er selbst flog nach unten und landete neben dem Kaninchen. Der Nager stand auf den Hinterbeinen und betrachtete reglos ein Spinnennetz. Eigentlich sah er wie ein ganz gewöhnliches Kaninchen aus. Er war klein und rundlich und hatte graubraunes Fell. Nur der halbmondförmige weiße Fleck auf seiner Stirn fiel auf. An diesem Fleck erkannte man, dass Karnickel ein Netzleser war. Er besaß die seltene Gabe, in Spinnennetzen Bilder aus der Gegenwart, der Zukunft und der Vergangenheit zu sehen. Allerdings waren es meistens nur

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