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Die Legende der Wächter – Der Zauber

Die Legende der Wächter – Der Zauber

Titel: Die Legende der Wächter – Der Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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runzlig und die Blätter abgefallen. Der Baum hätte seine spätsommerliche Pracht längst verloren haben müssen. So hatte die Natur es vorgesehen. War sie denn die einzige Eule, die sich an dem nicht enden wollenden Sommer störte? Die einzige, die es besorgniserregend fand, dass der Baum kaum je ein Blatt verlor, und wenn doch, dass das Blatt dann einen geisterhaft goldenen Schein hinterließ? Leben wir denn in einem Geisterschnabelbaum?
    Otulissa landete auf dem Ast vor ihrer Schlafhöhle. Sie musste die Augen zukneifen, so gleißend ließ die Mittagssonne die goldenen Ranken und Äste auffunkeln. Früher hätte sie sich über den herrlichen Spätsommertag gefreut – die Milchbeeren nahmen eine frühherbstlich rosige Färbung an, was immer ein wunderschöner Anblick war. Früher hatten viele Eulen eigens ihren Tagschlaf unterbrochen, um sich daran zu erfreuen. Das kam heutzutage nicht mehr vor. Die Pracht war einfach zu viel des Guten. Außerdem war ihr Anblick alltäglich geworden.
    Alltäglich. Gewöhnlich. Geradezu ordinär. Ja, unser Baum ist ordinär. Geschmacklos, ordinär, gewöhnlich, protzig – wie Madame Plonk. Alle diese Ausdrücke trafen auf die Sängerin zu.
    „Gütiger Glaux – Madame Plonk! Haben Sie mich erschreckt!“, entfuhr es Otulissa, als sie in ihre Höhle schlüpfte. Denn dort saß niemand anders als die Sängerin. In ihrem übertriebenen Putz wirkte sie reichlich unpassend zwischen Otulissas schlichter Einrichtung, ihren Büchern und Sternkarten. So unpassend wie goldene Milchbeeren mitten im Winter.
    „Mir ist klar, dass wir beide manchmal gewisse Meinungsverschiedenheiten haben, aber …“, begann Madame Plonk.
    „Wir haben nicht nur gewisse Meinungsverschiedenheiten, wir sind grund verschieden!“, gab Otulissa zurück. Tatsächlich gab es im ganzen Baum keine Eule, auf die das so zutraf wie auf Madame Plonk. Aber was war heute mit ihr los? Sie wirkte bekümmert – nein, regelrecht verzweifelt.
    „Was haben Sie denn für ein Problem?“, fragte Otulissa und dachte im Stillen: Und wie soll ausgerechnet ich Ihnen dabei helfen?
    „Meine Teetasse.“ Die Augen der Schnee-Eule füllten sich mit Tränen.
    „Ihre Teetasse?“, wiederholte Otulissa verständnislos. Wovon redet sie? Und jetzt kratzt sie sich auch noch mit der Zehe die Brust, als wäre ihre Tasse ein lebenswichtiges Organ, das kurz vor dem Versagen steht.
    „Ich kann Ihnen leider nicht ganz folgen, Madame Plonk. Was ist denn mit Ihrer Teetasse?“
    „Meine Krönungstasse … Ich habe sie jahrelang gehegt und gepflegt …“ Die Sängerin brach in Schluchzen aus. Sie kippte von Otulissas Gästehochsitz und landete als weißes Federhäufchen auf dem Höhlenboden.
    „Jetzt reißen Sie sich aber mal zusammen!“, sagte Otulissa streng.
    Die Schnee-Eule hob den großen Kopf. „Sie haben mir doch damals geholfen, den Namen und die Jahreszahl zu entziffern, wissen Sie nicht mehr? Ich bin jaleider nicht so klug wie Sie und das war sehr, sehr nett von Ihnen.“
    Oha! Jetzt fällt bei mir das Gewölle , dachte Otulissa. Sie sprach es aber nicht aus, denn diese Redensart war ziemlich unfein. Sie sah die Krönungstasse vor sich. Wieder so ein Plunder, den Madame Plonk bei Krämer-Ellie erstanden hatte. Auf der Tasse sah man ein Anderen-Weibchen mit einer Krone auf dem Kopf. Die Dargestellte strahlte eine majestätische Würde aus, um die Madame Plonk sich vergebens bemühte. Darunter stand eine Zahlenfolge.
    „Eins-neun-fünf-drei. Jetzt weiß ich es wieder.“
    „Das Krönungsjahr von Königin E.“, ergänzte Madame Plonk.
    „Ich kann nicht glauben, dass man einer Königin einen Namen gibt, der nur aus einem einzigen Buchstaben besteht. Wahrscheinlich sind die übrigen Buchstaben im Lauf der Zeit verblasst. Aber wo ist denn nun das Problem?“
    Die erneute Frage löste bei Madame Plonk einen wahren Schluchzanfall aus. Sie schlug die Flügel auf den Boden. Otulissa musste an eine Schauspielerin denken, die sich an ihrer eigenen Darbietung berauscht.
    Doch als sich die Sängerin so weit gefasst hatte, dass sie wieder sprechen konnte, rührte ihr klagender Ton doch etwas in Otulissas Magen an.
    „Sie können sich nicht vorstellen, wie wunderbar es all die Jahre war, morgens auf dem Ast vor meiner Höhle zu sitzen und einen Milchbeerentee aus meiner Krönungstasse zu trinken, nachdem ich ‚Die Nacht ist um‘ zum Besten gegeben und alle anderen in den Schlaf gesungen hatte. Das war nicht nur ein Labsal für meine

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