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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Mütter.«
    Ich verstand nicht ganz, was sie meinte. »Du möchtest, daß ich lerne, auf der Meerpfeife zu spielen, um Prinzessin Philia einen Gefallen zu tun?«
    »Damit sie glauben kann, sie hätte dir etwas zu geben.«
    »Sie hat mir Fäustel gegeben. Kein anderes Geschenk könnte größer sein.«
    Mein plötzlicher Ernst überraschte Lacey. Mich nicht minder. »Nun, das kannst du ihr sagen. Aber es schadet auch nicht, wenn du dich mit Musik befaßt oder eine Ballade auswendig lernst oder eins der alten Lieder. Das versteht sie vielleicht besser.«
    Nachdem Lacey gegangen war, saß ich da und grübelte, hin und her gerissen zwischen Ärger und Schuldbewußtsein. Philia wollte stolz auf mich sein und hatte den Ehrgeiz, bei mir eine besondere Fähigkeit zu entdecken. Als hätte ich in meinem bisherigen Leben nie etwas getan oder geleistet. Doch bei näherem Hinsehen stellte ich fest, daß ihre bescheidene Meinung von mir nicht ganz unbegründet war. Ich konnte lesen und schreiben und ein Pferd oder einen Hund pflegen. Außerdem konnte ich Gifte und Schlaftrünke mischen, schmuggeln, lügen und verstand mich auf Taschenspielertricks, alles Fertigkeiten, die schwerlich ihren Beifall gefunden hätten, hätte sie darüber Bescheid gewußt. Also, taugte ich noch zu etwas anderem außer zum Spion und Meuchelmörder?
    Am nächsten Morgen stand ich früh auf und ging zu Fedwren. Er freute sich über meine Bitte um Pinsel und Farben. Das Papier, das er mir gab, war von besserer Qualität als die Übungsbögen, und ich mußte versprechen, ihm meine Versuche zu zeigen. Auf dem Rückweg zu meinem Zimmer fragte ich mich, wie es wäre, bei ihm Lehrling zu sein. Wahrscheinlich eine Erholung gegenüber dem, was ich in letzter Zeit durchmachte.
    Aber die Aufgabe, die ich mir selbst gestellt hatte, erwies sich als schwieriger als gedacht. Ich sah Fäustel auf seinem Kissen schlafen. Wie konnte die Linie seines Rückens verschieden sein von der Linie einer Rune, die Farbschattierungen seines Ohres so anders als die Nuancen der Illustrationen, die ich aus Fedwrens Pflanzenbüchern kopiert hatte? Aber in wachsender Verzweiflung zerknüllte ich ein Blatt nach dem anderen, bis ich plötzlich erkannte, daß Licht und Schatten die Kontur des zusammengerollten Körpers bestimmten. Ich mußte weniger malen, nicht mehr, und aufs Papier bannen, was das Auge sah, statt der Umrisse, die der Verstand diktierte.
    Viel später wusch ich die Pinsel aus und stellte sie zum Trocknen beiseite. Das Ergebnis meiner frühmorgendlichen Mühen waren zwei Bilder, die mich zufriedenstellten, und eins, das mir gefiel, obwohl der schlafende Fäustel darauf vage und unwirklich aussah, mehr der Traum von einem Hund als ein lebendiges Tier. Darstellung meiner gefühlsmäßigen Wahrnehmung und nicht des Stofflichen, dachte ich.
    Doch als ich vor Prinzessin Philias Tür auf die Blätter in meiner Hand schaute, sah ich mich auf einmal als Knirps, der seiner Mutter einen Strauß zerdrückter Wiesenblumen brachte. War das ein passender Zeitvertreib für einen fast erwachsenen jungen Mann? Als Fedwrens Lehrling wären Übungen dieser Art angebracht gewesen, denn ein guter Schreiber muß nicht nur schreiben, sondern auch illuminieren und skizzieren können. Doch schon ging die Tür auf, und für einen Rückzug war es zu spät.
    Ich sagte nichts, als Philia mich verärgert aufforderte hereinzukommen, ich hatte mich ohnehin verspätet. Ergeben setzte ich mich auf einen Stuhl zu einem zerknüllten Umhang und einer halbfertigen Stickerei. Die Bilder legte ich neben mich auf einen Stapel Schreibtafeln.
    »Ich denke, du könntest lernen, Gedichte aufzusagen, wenn du nur wolltest«, überfiel sie mich unternehmungslustig. »Und deshalb könntest du auch lernen, Gedichte zu verfassen, wenn du nur wolltest. Rhythmus und Versmaß sind nicht mehr als ... ist das der Welpe, den ich dir geschenkt habe?«
    »Er soll es sein«, murmelte ich und fühlte mich verlegener als je zuvor in meinem Leben.
    Sie hob die Blätter behutsam auf und studierte sie eins nach dem anderen, zuerst von nahem, dann hielt sie sie auf Armeslänge von sich ab. Am gründlichsten betrachtete sie das Bild mit dem substanzlos scheinenden Fäustel. »Wer hat das gemalt?« fragte sie schließlich. »Auch wenn dein Zuspätkommen nicht damit entschuldigt ist. Aber ich hätte Verwendung für jemanden, der wiederzugeben vermag, was das Auge sieht, noch dazu mit naturgetreuen Farben. Das ist der Fehler bei allen

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