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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Pflanzenbüchern, die ich habe: Sämtliche Kräuter sind einheitlich grün, ohne Rücksicht darauf, ob sie erst graugrün sind und später einen Stich ins Rosafarbene bekommen. Solche Abbildungen sind nutzlos, um zu lernen ...«
    »Ich denke, er selbst ist der Künstler, Mylady«, warf Lacey helfend ein.
    »Und das Papier, es ist besser als ...« Philia unterbrach sich. »Du, Thomas?« (Ich glaube, jetzt erst erinnerte sie sich wieder an den Namen, den sie mir gegeben hatte.) »Du kannst so gut malen?«
    Unter ihrem ungläubigen Blick brachte ich nur ein stummes Nicken zustande. Wieder hielt sie die Bilder in die Höhe. »Dein Vater war nicht fähig, einen geraden Strich zu ziehen, es sei denn auf einer Landkarte. Hat deine Mutter gemalt?«
    »Ich kann mich nicht an sie erinnern, Mylady«, antwortete ich steif. Niemand hatte je die Kaltblütigkeit besessen, mir eine solche Frage zu stellen.
    »Was, überhaupt nicht? Aber du warst fünf Jahre alt. Du mußt doch irgend etwas im Gedächtnis behalten haben – die Farbe ihres Haares, ihre Stimme, Kosenamen ...« War das ein schmerzlicher Hunger in ihrer Stimme, eine Neugier, deren Befriedigung sie fürchtete?
    Tatsächlich, für den Bruchteil einer Sekunde wehte mich etwas aus der Vergangenheit an. Ein Hauch von Minze, oder war es ... Vorbei. »Nichts, Mylady. Hätte sie gewollt, daß ich mich an sie erinnere, hätte sie mich bei sich behalten, nehme ich an.« Ich verschloß mein Herz. Einer Mutter, die mich nicht wollte, die nie einen Versuch gemacht hatte, ihr Kind wiederzufinden, schuldete ich nichts!
    »Nun gut.« Philia schien zu merken, daß wir mit unserem Gespräch auf prekäres Terrain geraten waren. Sie starrte durch das Fenster in einen grauen Tag hinaus. »Jemand hat sich immerhin die Mühe gemacht, dir einiges beizubringen«, bemerkte sie mit aufgesetzter Munterkeit.
    »Fedwren.« Als sie schwieg, fügte ich hinzu: »Der Hofschreiber, wißt Ihr. Ich könnte bei ihm Lehrling werden. Er findet, ich habe eine gute Schrift, und läßt mich Illustrationen kopieren. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, heißt das. Ich habe andere Pflichten, und er ist oft unterwegs, auf der Suche nach geeigneten Papiergräsern.«
    »Papiergräsern?« fragte sie abweisend.
    »Er hat ein besonderes Papier. Es waren etliche Quantitäten, aber nach und nach hat er es aufgebraucht. Vor Jahren kaufte er es von einem Händler, der es von einem anderen Händler hatte und dieser wiederum von einem anderen, so daß er nicht weiß, woher es ursprünglich kam. Aber nach allem, was er in Erfahrung bringen konnte, wurde es aus gehäckseltem Riedgras hergestellt. Das Papier ist von erheblich besserer Qualität als unseres. Es ist dünn, biegsam und wird nicht brüchig mit den Jahren. Außerdem läßt es sich gut beschreiben, ohne die Tinte aufzusaugen, so daß die Linien der Runen verlaufen. Fedwren sagt, wenn wir es nachmachen könnten, würde das große Veränderungen bewirken. Mit gutem, festem Papier wäre es möglich, die gesamte Bevölkerung an den Wissenschaften teilhaben zu lassen. Wäre Papier billiger, könnten mehr Kinder lesen und schreiben lernen. Ich begreife nicht, weshalb er ...«
    »Ich wußte nicht, daß jemand hier mein Interesse teilt.« Das Gesicht der Prinzessin hellte sich auf. »Hat er versucht, Papier aus gemahlener Lilienwurzel herzustellen? Ich habe damit einigen Erfolg gehabt. Und auch mit Papier aus einem Filz von Rindenbast des Kinuebaums. Es ist dauerhaft, biegsam, aber die Oberflächenbeschaffenheit läßt zu wünschen übrig. Anders als hierbei ...«
    Mit gerunzelter Stirn befühlte und begutachtete sie die Bögen, die sie in der Hand hielt. Nach kurzem Schweigen fragte sie zögernd: »Du liebst den Hund sehr?«
    »Ja«, antwortete ich schlicht, und plötzlich trafen sich unsere Blicke. Sie starrte mich auf dieselbe geistesabwesende Art an, wie sie oft aus dem Fenster schaute. Auf einmal schwammen ihre Augen in Tränen.
    »Manchmal bist du ihm so ähnlich, daß ...« Sie schluckte. »Du hättest mein Kind sein sollen! Es ist ungerecht, du hättest mein Kind sein sollen!«
    Die Worte brachen mit solcher Leidenschaft aus ihr heraus, daß ich glaubte, sie würde mich schlagen. Statt dessen sprang sie auf mich zu und drückte mich an sich. Dabei trat sie auf ihren Hund und warf eine volle Vase um. Der Hund sprang jaulend auf, die Vase zerbrach, Wasser spritzte, Scherben flogen, und die Stirn der Prinzessin traf mich unter dem Kinn, so daß ich einen Moment lang Sterne

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