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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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er nach einer Lektion und geriet dann in Wut über die anderen Schüler, die bestürzte Blicke wechselten. »Kümmert euch um eure eigenen Übungen!« fuhr er sie an und entfernte sich mit abgehackten Schritten, um völlig überraschend herumzuwirbeln und sich auf mich zu stürzen. Wie Molly seinerzeit hatte ich keinen anderen Gedanken, als mein Gesicht und den Leib vor seinen Fäusten und Tritten zu schützen. Die Schläge, die auf mich einprasselten, hätten eher von einem bockbeinigen Kind stammen können als von einem wütenden Mann. Ich fühlte ihre Kraftlosigkeit und erkannte bestürzt, daß ich gegen ihn sperrte. Nicht so stark, daß er es merkte, sondern nur so viel, daß seine Attacken abgemildert wurden. Als er endlich die Fäuste sinken ließ und ich wagte, den Blick zu heben, kam ich mir vor wie der Sieger, denn meine Kameraden musterten Galen teils angewidert, teils erschreckt. Selbst für Serene war er zu weit gegangen. Mit kreidebleichem Gesicht wandte er sich von mir ab, und ich konnte spüren, wie er einen Entschluß faßte.
    An diesem Abend in meinem Zimmer war ich todmüde, aber zu erregt, um zu schlafen. Der Narr hatte Fäustel sein Futter gebracht, und ich neckte den Hund mit einem großen Rindsknochen, während er wonnevoll an meinem Ärmel zerrte und in gespielter Wut knurrte. Er war beinahe ausgewachsen, und ich fühlte stolz die kräftigen Muskeln an Nacken und Schultern. Als ich ihn in den Schwanz kniff, fuhr er zu dem neuen Angreifer herum, aber dann versuchte er, den Knochen zu schnappen, den ich von einer Hand in die andere wechselte. »Kein Verstand«, spottete ich. »Du kannst nur an das denken, was du haben willst. Kein Verstand, kein Verstand.«
    »Wie der Herr, so's Gescherr.«
    Ich zuckte zusammen, und in derselben Sekunde bemächtigte Fäustel sich des Knochens. Er ließ sich mit der hart erkämpften Beute auf den Bauch plumpsen und begrüßte den Narren nur mit einem flüchtigen Schwanzwedeln. Außer Atem setzte ich mich auf den Boden. »Ich habe nicht einmal gehört, wie die Tür aufging.«
    Er äußerte sich nicht dazu, sondern kam ohne Umschweife zu seinem Anliegen. »Glaubst du, Galen wird zulassen, daß du die Prüfung bestehst?«
    Ich grinste selbstgefällig, »Glaubst du, er kann es verhindern?«
    Seufzend ließ der Narr sich neben mir nieder. »Ich weiß, daß er es kann. Und er weiß es auch. Ich frage mich nur, ob er skrupellos genug ist. Doch ich befürchte, er schreckt vor nichts zurück.«
    »Dann soll er es versuchen«, meinte ich obenhin.
    »Darauf habe ich keinen Einfluß.« Der Narr ging nicht auf meinen leichten Ton ein. »Ich hatte gehofft, dich davon abzubringen, es zu versuchen.«
    »Du verlangst von mir, aufzugeben? Einen Schritt vor dem Ziel?«
    »Allerdings.«
    »Aber warum?«
    »Weil«, fing er an und verstummte stirnrunzelnd. »Ich weiß es nicht. Zu viele Fäden laufen zusammen. Wenn ich einen herauszupfe, werden sie sich vielleicht nicht verknüpfen.«
    Von einer Minute auf die andere fühlte ich mich erschöpft, ausgebrannt, und die Hochstimmung meines vermeintlichen Sieges war verflogen. Der Narr und seine Schwarzseherei ärgerten mich. »Wenn du nur in Rätseln sprechen kannst, weshalb bist du dann nicht lieber still?«
    Er schwieg, als hätte ich ihn geschlagen. »Das ist noch eine Frage, auf die ich keine Antwort weiß«, meinte er schließlich und stand auf.
    »Narr«, begann ich, um ihn zurückzuhalten.
    »Ja. Ein solcher bin ich«, nickte er und ging.
    Also verfolgte ich unbeirrt mein Ziel und wurde stärker. Der langsame Fortgang unserer Unterweisung verdroß mich. Tagtäglich wiederholten wir die gleichen Übungen, und allmählich meisterten auch die anderen, was mir wie selbstverständlich zuflog. Wie konnten sie derart blind und taub gewesen sein? fragte ich mich. Wie konnte es ihnen so schwerfallen, sich der Gabe zu öffnen? Meine Schwierigkeit bestand im Gegenteil darin, nicht zuviel preiszugeben, verborgen zu halten, was Galen nicht wissen sollte. Oft, wenn er mich mit der Gabe streifte, merkte ich, wie er behutsam einen Fühler in mein Bewußtsein streckte, aber es gelang mir stets, ihm auszuweichen.
    »Ihr seid bereit«, verkündete er endlich an einem frostklaren Tag. Obwohl erst Nachmittag war, zeigten sich bereits die ersten Sterne im dunklen Tintenblau des Himmels. Keine Wolken, die uns gestern zwar mit Schnee berieselt, aber wenigstens vor dieser klirrenden Kälte geschützt hatten. Ich bewegte die Zehen in den Lederschuhen, die

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