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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Jhaampe sich ausbreitete. Als mehr und mehr Leute dort Rat suchten und bereit waren, sich der Entscheidung der Richterin zu beugen, wurden die Gesetze dieses einen Ortes bald von allen anderen übernommen und schließlich für allein gültig erklärt. So wandelten sich die Richter zu Königen, doch erstaunlicherweise hielten sie an ihrem Motto des Dienens und der Selbstaufopferung fest. Die Geschichte von Jhaampe weiß von Königen und Königinnen zu berichten, die auf mannigfache Weise ihre Pflicht erfüllten: Sie retteten schafhütende Kinder vor reißenden Tieren oder boten sich bei Fehden als Geisel an.
    Man beschreibt die Bergbewohner als hart, beinahe grausam. Es stimmt, das Land, in dem sie leben, ist erbarmungslos, und ihre Gesetze spiegeln diesen Umstand wider. Es stimmt, daß mißgestaltete Kinder ausgesetzt oder – häufiger – ertränkt oder in einen Todesschlaf versetzt werden. Alte Leute entscheiden sich oft für die Absonderung, ein selbstgewähltes Exil innerhalb der Familie, wo jedoch Kälte und Hunger allen Gebrechen bald ein Ende machen. Ein Mann, der sein Wort bricht, wird durch einen Schnitt in die Zunge bestraft, außerdem muß er Schadenersatz in doppelter Höhe entrichten. Solche Gebräuche mögen den Bewohnern der zivilisierten Sechs Provinzen barbarisch erscheinen, doch in der rauhen Welt der Berge haben sie ihre Berechtigung.
     
    Zu guter Letzt bekam Veritas seinen Willen, was ihm allerdings nur geringe Genugtuung bereitet haben dürfte, denn Unterstützung erhielt er ausgerechnet durch eine plötzliche Zunahme der Piratenüberfälle. Im Zeitraum eines Monats wurden zwei Dörfer gebrandschatzt und insgesamt zweiunddreißig Einwohner verschleppt. Neunzehn davon trugen die mittlerweile weitverbreiteten Giftphiolen bei sich und begingen Selbstmord. Ein dritter Ort, dieser eine Stadt, wurde erfolgreich verteidigt, leider nicht von königlichen Soldaten, sondern von einer Söldnertruppe, die die Bürger in Eigeninitiative angeworben hatten. Bei vielen von ihnen handelte es sich ironischerweise um eingewanderte Outislander, die eins ihrer wenigen Talente in klingende Münze umwandelten. Das Murren über die scheinbare Tatenlosigkeit des Königs wurde lauter.
    Es nützte wenig, ihnen die Arbeit von Veritas und seiner Kordiale erklären zu wollen. Wonach die Leute verlangten, war etwas Greifbares, eine Flotte von Kriegsschiffen, die unsere Küsten verteidigten. Doch Schiffe zu bauen dauert seine Zeit, und die umgerüsteten Kauffahrer, die bereits unsere Gewässer patrouillierten, waren plumpe, schwerfällige Kästen verglichen mit den wenigen Korsaren, die uns heimsuchten. Ein versprochener Stapellauf im Frühling war kein Trost für Bauern und Hirten, die sich bemühten, Ernte und Vieh zu schützen. Und die im Landesinneren gelegenen Herzogtümer zeigten immer weniger Bereitschaft, mit ihrem guten Geld Kriegsschiffe zu finanzieren zum Schutz der Küste, von der sie weit entfernt waren. Die Führer der Küstenprovinzen ihrerseits fragten sarkastisch, was die lieben Nachbarn wohl täten, wenn sie keine Möglichkeit mehr hätten, ihre Waren zu verschiffen und der Seehandel zum Erliegen käme. Im Verlauf wenigstens einer Ratsverhandlung kam es zu einem lautstarken Wortwechsel, bei dem Herzog Ram von Tilth meinte, daß es zu verschmerzen wäre, die Nahen Inseln und Für Point den Roten Korsaren zu überlassen, wenn man ihnen damit den Hals stopfen könne, und Herzog Brawndy von Bearns konterte mit der Drohung, den Handel auf dem Bärenfluß zu unterbinden, dann werde man ja sehen, ob Tilth das ebenfalls so leicht verschmerzen könne. König Listenreich vertagte die Sitzung gerade noch rechtzeitig, bevor es zu einem Schlagabtausch kam, aber der Herzog von Farrow hatte noch Gelegenheit zu erklären, daß er auf der Seite von Tilth stand. Die Fronten verhärteten sich immer mehr, mit jedem Monat und mit jeder neuen Steuererhebung. Die Einheit des Reiches war aufs höchste gefährdet, und Listenreich sah in der Vermählung seines ältesten Sohnes das beste Mittel, sie zu bewahren.
    Edel vollführte also seinen Eiertanz auf dem diplomatischen Parkett, und man einigte sich darauf, daß Prinzessin Kettricken vor dem versammelten Volk Edel als Stellvertreter seines Bruders das Ja-Wort geben sollte, und Edel würde für Veritas sprechen. Selbstverständlich folgte später eine prunkvolle Hochzeitsfeier in Bocksburg, zu der auch eine Abordnung von Chyurda als Zeugen geladen war. Vorläufig blieb Edel in der

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