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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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königlichen Gerechtigkeit Genüge zu verschaffen. Es ging nicht darum, ein Todesurteil für ein Verbrechen zu vollstrecken. Es ging darum, einen Mann zu beseitigen, der dem Wunsch nach größerer Macht im Wege stand. Ich horchte in mich hinein und versuchte, mir die Frage zu beantworten, ob ich es tun sollte. Dann hob ich den Blick zu einem silbernen Obstmesser, das aufrecht im Kaminsims stak, und hatte das Gefühl, die Antwort gefunden zu haben. »Veritas hat beim König Klage geführt, deinetwegen«, sagte Chade plötzlich.
    »Klage? Meinetwegen?«
    »Deinetwegen. Erstens, daß Galen dich mißhandelt und hintergangen hätte. Es war eine förmliche Anklage, und erschwerend fügte er hinzu, Galen hätte das Reich um deine Gabe betrogen, in einer Zeit, wo sie besonders dringend gebraucht würde. Unter vier Augen gab er Listenreich den Rat, er solle mit Galen ins reine kommen, um zu vermeiden, daß du die Sache in die eigenen Hände nimmst.«
    Ein Blick in Chades Gesicht verriet mir, daß man ihn über mein Gespräch mit Veritas unterrichtet hatte. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. »Galen hat von mir nichts zu befürchten. Ich werde mich nicht an ihm rächen, schon allein, weil Veritas mich gebeten hat, es nicht zu tun.«
    Chade nickte mir beifällig zu. »Das habe ich auch Listenreich erklärt. Doch er hat mir aufgetragen, ich soll dir sagen, daß er sich darum kümmern wird. Diesmal übt der König selbst Gerechtigkeit. Du mußt warten und dich zufriedengeben.«
    »Was wird er tun?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, Listenreich selbst hat noch keine Vorstellung davon. Der Mann muß in die Schranken gewiesen werden. Andererseits ist zu bedenken, daß wir ihn brauchen, um weitere Kordialen auszubilden, deshalb darf es nicht in zu scharfer Form geschehen.« Chade räusperte sich und fuhr mit ausdrucksloser Stimme fort: »Veritas hat noch eine zweite Anklage erhoben. Er beschuldigte Listenreich und mich rundheraus, wir hätten keine Skrupel, dich zum Wohle des Königreichs zu opfern.«
    Die Katze war aus dem Sack. Deshalb hatte er mich zu sich gerufen. Ich schwieg.
    »Listenreich beteuert, er habe so etwas nie in Betracht gezogen. Ich für meinen Teil wäre nie darauf gekommen, daß dergleichen möglich sein könnte.« Er seufzte, als kostete es ihn Überwindung, sich diese Worte abzuringen. »Listenreich ist ein König, mein Junge. Seine erste Sorge muß immer dem Reich gelten.«
    Das Schweigen zwischen uns war lang und bedrückend. »Das heißt, er würde mich opfern. Ohne Gewissensbisse.«
    Chade starrte unverwandt in die kalte Grotte des Kamins. »Dich. Mich. Sogar Veritas, wenn er es für erforderlich hielte.« Dann hob er den Blick und sah mich an. »Vergiß es nie«, sagte er.
     
    Am Abend, bevor die Karawane Bocksburg verlassen sollte, klopfte Lacey an meine Tür. Es war spät, und als sie sagte, Prinzessin Philia wünsche mich zu sehen, fragte ich töricht: »Jetzt?«
    »Nun ja, morgen reist du ab«, erwiderte Lacey, und ich folgte ihr gehorsam, als wäre damit alles erklärt.
    Prinzessin Philia saß in einem mächtigen Lehnsessel, einen extravagant bestickten Kaftan über dem Nachtgewand. Das Haar fiel offen auf ihre Schultern, und sobald ich mich ihr gegenüber niedergelassen hatte, fuhr Lacey fort, es zu bürsten.
    »Ich habe darauf gewartet, daß du kommst, um dich zu entschuldigen«, begrüßte sie mich.
    Sofort holte ich Luft, um es zu tun, aber sie winkte ungeduldig ab.
    »Doch als ich mit Lacey heute abend darüber sprach, stellte ich fest, daß ich dir bereits verziehen habe. Wir kamen zu dem Schluß, daß Jungen ein bestimmtes Quantum an Unhöflichkeit besitzen, das sie loswerden müssen. Ich gehe davon aus, du hast es nicht böse gemeint, deshalb brauchst du dich für nichts zu entschuldigen.«
    »Aber es tut mir leid«, wandte ich ein. »Ich wußte nicht, wie ich es ausdrücken sollte ...«
    »Zu spät, vergeben und vergessen«, schnitt sie mir energisch das Wort ab. »Außerdem, wir haben dafür keine Zeit. Du müßtest längst im Bett liegen. Doch weil dies dein erster richtiger Ausflug ins höfische Leben ist, möchte ich dir etwas schenken, bevor du gehst.«
    Ich machte den Mund auf und wieder zu. Wenn sie glauben wollte, ich hätte noch nie die Nase in den Wind gesteckt, wollte ich nicht mit ihr streiten.
    »Komm her«, befahl sie und deutete auf einen Platz zu ihren Füßen.
    Ich gehorchte. Erst jetzt bemerkte ich das Kästchen, das sie auf dem Schoß hielt. Es bestand aus

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