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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wurde ein Baum ausgesucht, der der Mittelpunkt sein sollte, das Areal gerodet und geebnet und anschließend das kreisförmige Baumstaket gepflanzt und gehegt und während des Wachsens durch Binden und Schneiden so geleitet, daß sich die Stämme alle dem Mittelbaum zuneigten. Schließlich hatte man sämtliche anderen Zweige entfernt, die Wipfel miteinander verflochten und schuf in mehreren Arbeitsgängen die Wände. Den Anfang machte eine Bespannung aus Leinwand, die mit einer bestimmten Substanz getränkt, gehärtet und danach mit zahlreichen Schichten Baststoff überdeckt wurde. Dieser feste Baststoff erhielt einen Bewurf aus einem speziellen Lehm, der in der Umgebung zu finden war, und als letztes erfolgte der bunte Anstrich mit harzhaltigen Farben. Ich konnte nicht in Erfahrung bringen, ob jedes Bauwerk in der Stadt auf diese langwierige Art entstanden war, aber die außergewöhnliche Architektur verlieh dem Palast der Könige von Jhaampe eine lebendige Anmut, die Stein niemals erreichen konnte.
    Der riesige Innenraum war offen, ganz ähnlich der großen Halle in Bocksburg, und auch mit mehreren Feuerstellen ausgestattet. Es gab Bereiche für Kochen und Weben und Spinnen und Einmachen und alle sonstigen Verrichtungen eines großen Haushalts. Als Privatgemächer dienten dem Anschein nach durch Vorhänge abgetrennte Alkoven oder Zeltkammern an der äußeren Wand. Es gab auch eine Art zweites Stockwerk, Zelte auf Stelzen, über ein Netzwerk offener Treppen erreichbar. Bei den Stelzen handelte es sich wieder um naturbelassene Baumstämme. Beklommen erkannte ich, wie schwierig es sein würde, zur Vorbereitung der ›diskreten‹ Arbeit ein abgeschiedenes Plätzchen zu finden.
    Man führte mich eilig zu einem Zeltgemach, wo ich meinen Zedernkasten und Kleidersack sowie noch mehr parfümiertes Waschwasser und eine Schale mit Früchten vorfand. Ich tauschte rasch meine staubige Reisekleidung gegen ein besticktes Obergewand mit geschlitzten Ärmeln und dazu passenden engen Hosen, das Mistress Hurtig für eine Gelegenheit wie die bevorstehende für angemessen hielt. Ich wunderte mich erneut über den angreifenden Rehbock auf den Wappen, dann schob ich den Gedanken beiseite. Vielleicht hielt Veritas diesen Blason für weniger demütigend als den anderen, der in aller Deutlichkeit meine Illegitimität verkündete. Wie auch immer, es war gut so. Ich hörte Glocken und kleine Trommeln aus dem Versammlungsraum und verließ mein Gemach, um zu sehen, was im Gange war.
    Auf einem mit Blumen und Tannengrün geschmückten Podium standen August und Edel vor einem ehrwürdigen Greis, der von zwei ganz in schlichtes Weiß gekleideten Dienern begleitet wurde. Um das Podium hatte sich ein Kreis von Zuschauern gesellt, und ich gesellte mich hinzu. Eine meiner Sänftenträgerinnen, jetzt in einem rosenfarbenen Gewand, die Stirn von Efeu umkränzt, tauchte neben mir auf. Sie lächelte auf mich hinunter.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte ich, nachdem ich mir im Kopf die Worte zurechtgelegt hatte.
    »Unser Opfer, hm, wie ihr sagt, König Eyod, wird euch willkommen heißen. Und euch seine Tochter vorstellen, die euer Opfer, nein, eure Königin sein soll. Und seinen Sohn, der nach seinem Tod unser Land regieren wird.« Sie brachte diese Erklärung stockend hervor, mit vielen Unterbrechungen und durch mein eifriges Nicken ermuntert.
    Trotz beiderseitiger Schwierigkeiten gelang es ihr, mir begreiflich zu machen, die Frau neben König Eyod wäre ihre Nichte, und ich brachte unter Ausschöpfung meines begrenzten Wortschatzes so etwas wie ein Kompliment zustande: daß sie gesund und kräftig aussähe. Das war unter den gegebenen Umständen das Liebenswürdigste, was mir über die bemerkenswerte Frauengestalt zu sagen einfiel, die so beschützend neben ihrem König stand. Sie hatte langes blondes Haar, an das ich mich in Jhaampe zu gewöhnen begann, teils in Flechten um den Kopf gelegt, teils flutete es offen über ihren Rücken. Ihre Züge waren ernst, die bloßen Arme muskulös. Der Mann auf der anderen Seite von König Eyod war älter, aber sonst ihr ähnlich wie ein Zwillingsbruder, nur daß er sein Haar kürzer trug. Als ich die Worte zusammengesucht hatte, um die alte Frau zu fragen, ob auch er ein Verwandter war, lächelte sie mich an wie ein begriffsstutziges Kind und erwiderte, er sei natürlich ihr Neffe. Dann bedeutete sie mir zu schweigen, denn König Eyod hatte mit seiner Rede begonnen.
    Er sprach langsam und deutlich, und ich war

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