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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bemaltes Holzgatter vor einer Türöffnung zur Seite, und wir verließen den großen Saal.
    Tatsächlich befanden wir uns im Freien, auf einem gepflasterten Weg unter einem Bogengang aus Weidenbäumen. Man hatte die oberen Zweige zu einem Dach verflochten, einem Schirm gegen die Mittagssonne. »Und auch der Regen wird abgehalten, wenigstens größtenteils«, meinte Kettricken, als sie mein Interesse bemerkte. »Dieser Pfad führt zu den Schattengärten. Dort bin ich am liebsten, aber vielleicht möchtest du erst den Kräutergarten sehen?«
    »Ich möchte liebend gerne alles sehen, was es zu sehen gibt, Prinzessin«, antwortete ich, und wenigstens das entsprach der Wahrheit. Hier draußen, weit weg von dem Trubel, hatte ich mehr Ruhe, meine Gedanken zu ordnen, zu überlegen, was ich in meiner unhaltbar gewordenen Lage tun sollte. Verspätet fiel mir auf, daß Prinz Rurisk keins der Symptome einer schweren Verwundung oder Krankheit zeigte, von denen Edel berichtet hatte. Ich brauchte Abstand und Zeit, um die Situation einzuschätzen. Hier war mehr, viel mehr im Gange, als ich erwartet hatte.
    Vorerst zwang ich mich, nicht mehr an mein eigenes Dilemma zu denken, und lauschte den Erklärungen der Prinzessin. Sie hatte eine deutliche Aussprache, und ohne das Stimmengewirr in der Halle fiel es mir erheblich leichter, ihren Worten zu folgen. Sie schien ein umfassendes Wissen über Botanik zu besitzen und gab mir zu verstehen, die Beschäftigung damit sei für sie kein Steckenpferd, sondern von ihr als Prinzessin erwarte man solche Kenntnisse.
    Während wir die Pfade entlangschlenderten und fachsimpelten, mußte ich mir ständig ins Gedächtnis rufen, daß sie von königlicher Herkunft war und mit Veritas verlobt. Ich war nie zuvor einer Frau wie ihr begegnet. Sie besaß eine ruhige Würde, ganz unähnlich dem Standesbewußtsein, das mir gewöhnlich bei denen begegnete, die von höherer Geburt waren als ich. Aber sie zögerte nicht, zu lächeln und sich zu begeistern oder in der Erde zu graben, um mir eine bestimmte Wurzel zu zeigen, von der gerade die Rede war. Sie rieb die Knolle sauber und schnitt dann mit ihrem Gürtelmesser aus der Mitte ein Stück heraus, das sie mir zum Kosten gab. Sie zeigte mir bestimmte Kräuter zum Würzen von Fleisch und bestand darauf, daß ich von jeder der drei Sorten ein Blatt probierte, denn obwohl sie sehr ähnlich aussahen, waren sie vom Geschmack her völlig verschieden. In gewisser Weise war sie wie Philia, ohne deren Exzentrizität. In anderer Weise erinnerte sie mich an Molly, doch ohne die Härte, die Molly sich hatte aneignen müssen, um zu überleben. Wie Molly redete sie frank und frei mit mir, als wären wir ebenbürtig. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, daß Veritas diese Frau mehr nach seinem Gusto finden könnte, als er erwartete.
    Doch ein anderer Teil von mir fragte sich besorgt, wie Kettricken wirklich auf Veritas wirken mochte. Er war kein Weiberheld, aber wer ihn kannte, wußte auch, welche Frauen er bevorzugte. Die er anlächelte, waren gewöhnlich klein und drall und brünett, oft mit lockigem Haar und mädchenhaftem Lachen und kleinen, weichen Händen. Und nun bestimmte ihm das Schicksal diese hochgewachsene, blasse Frau, die sich so einfach kleidete wie eine Dienerin und verkündete, sie hätte große Freude daran, ihre eigenen Gärten zu pflegen. Im Lauf unseres Gesprächs stellte sich heraus, daß sie so fachmännisch über Falknerei und Pferdezucht reden konnte wie jeder Stallmeister. Und als ich mich nach ihrem Zeitvertreib erkundigte, erzählte sie mir von ihrer kleinen Schmiede, von Zangen, Dreul und Blutstein, und sie schob ihr Haar nach hinten, um mir die Ohrringe zu zeigen, die sie für sich selbst gefertigt hatte. Die fein getriebenen Blütenblätter einer silbernen Blume hielten einen winzigen Diamanten, der wie ein Tautropfen in ihrem Herzen ruhte. Irgendwann einmal hatte ich zu Molly gesagt, Veritas verdiente eine tüchtige, selbstbewußte Gemahlin, aber jetzt kamen mir Zweifel, ob Kettricken ihn als Mann zu fesseln vermochte. Er würde sie respektieren, dessen war ich sicher. Aber genügte Respekt zwischen einem König und seiner Königin?
    Das stand in den Sternen, aber mir bot sich jetzt die Gelegenheit, mein Veritas gegebenes Versprechen zu halten. Ich fragte die Prinzessin, ob Edel ihr viel von ihrem zukünftigen Gemahl erzählt hätte, und plötzlich wurde sie schweigsam. Ich spürte, wie sie ihre innere Kraft zusammennahm, als sie erwiderte, sie

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