Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
machten die Enge und die vielen Menschen auch das lammfrommste Tier unruhig. Es gab nur eine Schwierigkeit – er konnte immer nur zwei Pferde hinausführen und mußte die anderen so lange unbeaufsichtigt lassen. Als ich zu ihm trat, hob er wachsam den Kopf.
»Wenn du erlaubst, helfe ich dir«, bot ich ihm an.
Burrichs Gesicht drückte nichtssagende Höflichkeit aus. Bevor er den Mund aufmachen konnte, um mir zu antworten, sagte eine Stimme hinter mir: »Das ist meine Aufgabe, junger Herr. Ihr könntet Eure Ärmel beschmutzen oder bei der Arbeit mit den Tieren Eure Kräfte überfordern.« Ich drehte mich langsam herum, bestürzt über die Häme in Cobs Worten, dann schaute ich wieder Burrich an, der sich nicht geäußert hatte.
»Dann werde ich so mitgehen, denn es gibt etwas Wichtiges zu bereden.« Ich wählte absichtlich einen distanzierten Tonfall. Burrich erwiderte meinen Blick einen Moment lang schweigend. »Nimm die Stute der Prinzessin«, sagte er endlich, »und den braunen Einjährigen. Ich nehme die Grauen. Cob, paß auf die anderen auf, bis ich wieder zurück bin.«
Ich nahm die Stute und den Einjährigen am Halfter und hielt mich dicht hinter Burrich, der sich mit den beiden Grauen einen Weg durch die Menge bahnte. »Die Koppel liegt da hinten«, sagte er, weiter nichts. Eine Weile gingen wir stumm nebeneinander. Schon in geringer Entfernung vom Palast begegnete uns keine Menschenseele mehr. Es war still, nur die Pferdehufe pochten gedämpft auf der weichen Erde. An die Koppel schloß sich ein kleiner Schuppen mit Geschirrkammer an. Es war fast wie früher. Ich sattelte die Stute ab, und weil sie vor Aufregung etwas geschwitzt hatte, rieb ich sie trocken, während Burrich Hafer in die Krippe schüttete. Er kam heran, als ich eben mit ihr fertig war. »Sie ist eine Schönheit«, sagte ich bewundernd. »Aus Lord Rangers Zucht?«
»Ja.« Das knappe Wort erstickte meinen Versuch einer Unterhaltung im Keim. »Du wolltest mit mir reden?«
Ich holte tief Luft, dann sagte ich einfach: »Eben habe ich Nosy gesehen. Es geht ihm gut. Er ist alt geworden, aber er hat ein gutes Leben gehabt. Die ganzen Jahre, Burrich, habe ich geglaubt, du hättest ihn in jener Nacht getötet. Erschlagen, die Kehle durchgeschnitten, erwürgt – alles mögliche habe ich mir vorgestellt, tausendmal. Die ganzen Jahre über.«
Er sah mich ungläubig an. »Du hast gedacht, ich würde einen Hund töten? Für etwas, das du getan hast?«
»Ich wußte nur, er war verschwunden. Was konnte sonst aus ihm geworden sein? Ich dachte, du wolltest mich durch seinen Tod bestrafen.«
Burrich schwieg geraume Zeit. Als er mich wieder anschaute, las ich in seinen Augen die Betroffenheit, die er empfand. »Wie sehr du mich gehaßt haben mußt.«
»Und gefürchtet.«
»Während all der vielen Jahre? Und du hast mich nie besser kennengelernt, hast dir nie gesagt: Er könnte das nicht tun?«
Ich schüttelte langsam den Kopf.
»O Fitz«, meinte er bekümmert. Eins der Pferde stupste ihn mit der Nase, und er kraulte ihm geistesabwesend die Blesse zwischen den Augen. »Ich hielt dich für verstockt und mürrisch. Du glaubtest, ich hätte dir ein großes Unrecht zugefügt. Kein Wunder, daß wir so schlecht miteinander ausgekommen sind.«
»Es ist doch nicht zu spät, das zu ändern. Ich habe dich vermißt, wirklich vermißt, trotz all unserer Unstimmigkeiten.«
Ich schaute in sein Gesicht, während er überlegte, und einen Moment lang glaubte ich, er würde lächeln und mir auf die Schulter klopfen und sagen, ich solle gehen und die anderen Pferde holen. Dann aber verhärteten sich seine Züge. »Trotz allem, du hast von der alten Macht nicht abgelassen. Du warst überzeugt, ich brächte es fertig, jedes Tier zu töten, das du mit der Macht berührst, und doch hast du nicht davon abgelassen.«
»Aber so wie du glaubst, ist es nicht«, wollte ich erklären, aber er ließ mich nicht ausreden.
»Es hat keinen Zweck, Junge. Wenn wir nichts miteinander zu tun haben, gibt es wenigstens keine Feindschaft zwischen uns. Ich kann nie und nimmer akzeptieren, was du tust, oder darüber hinwegsehen. Komm zu mir, wenn du soweit bist, mir zu versprechen, daß du der Macht entsagt hast. Doch bis dahin sollten wir uns aus dem Weg gehen.«
Er ließ mich am Koppelzaun stehen und entfernte sich, um die übrigen Pferde zu holen. Ich brauchte eine Weile, um meine Enttäuschung und Mutlosigkeit zu überwinden, dann mischte auch ich mich wieder unter die Feiernden,
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