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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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aber ihr Blick hielt mich fest. »Blaufleck?« fragte sie kühl.
    Ich straffte die Schultern. »Bist du nicht Molly Blaufleck?«
    Sie wischte sich eine Haarsträhne von der Wange. »Ich bin Molly Kerzenzieher.« Erkennen dämmerte in ihren Augen, doch ihre Stimme klang frostig, als sie hinzufügte: »Ich bin nicht sicher, daß ich Euch kenne. Eurer Name, junger Herr?«
    In meiner Verwirrung handelte ich, ohne zu überlegen, und spürte nach ihr. Ich traf auf Nervosität und war überrascht von ihren Ängsten. Mit Gedanken und Stimme versuchte ich ihr ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. »Ich bin Neuer«, antwortete ich spontan.
    Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, und dann lachte sie über etwas, das sie als Spaß deutete. Die Mauer, die sie zwischen uns errichtet hatte, zerbarst, und plötzlich erkannte ich in ihr wieder meine alte Freundin. Uns verband das warme Einverständnis, das mich so sehr an Nosy erinnerte. Die anfängliche Befangenheit wich. Um die streitenden Frauen hatte sich ein Kreis von Zuschauern gebildet, aber wir kehrten ihnen den Rücken und schlenderten die kopfsteingepflasterte Gasse hinauf. Ich bewunderte ihren Rock und erfuhr, daß sie seit etlichen Monaten Röcke lieber als Hosen trug. Dieser hatte ihrer Mutter gehört, und man sagte allgemein, daß so feine Wolle nicht mehr zu bekommen sei und auch nicht so ein leuchtendes Rot. Sie äußerte sich ebenfalls bewundernd über meine Kleidung, und ich begriff plötzlich, daß ich ihr wahrscheinlich ebenso verändert vorkam wie sie mir. Ich hatte mein bestes Hemd an, meine Hose war erst vor wenigen Tagen gewaschen worden, und ich trug gute, feste Stiefel wie die Soldaten – trotz Burrichs Murren, daß ich so schnell hinauswuchs. Sie fragte mich nach meinem Geschäft, und ich erklärte, ich sei im Auftrag des Meisterschreibers auf der Burg unterwegs. Ich fügte hinzu, er brauche zwei Bienenwachskerzen, reine Erfindung von mir, aber so konnte ich unser Zusammensein noch etwas verlängern. Unsere Ellenbogen stießen beim Gehen kameradschaftlich aneinander, und sie erzählte von sich. Auch an ihrem Arm hing ein Henkelkorb mit Einkäufen. Kräuter, sagte sie, zum Parfümieren der Kerzen. Bienenwachs nahm ihrer Meinung nach den Geruch viel besser an als Talg. Sie machte die besten Duftkerzen in Burgstadt, selbst die beiden Konkurrenten im Ort gaben das zu. Da, riech nur, das war Lavendel, herrlich, nicht wahr? Der Lieblingsduft ihrer Mutter und auch der ihre. Das waren Rebelsüß und Bienenbalsam. Das hier war Drescherwurzel, sie mochte das Aroma nicht, aber manche behaupteten, es helfe Kopfschmerzen und Wintergrillen zu kurieren. Mavis Zwirner hatte ihr verraten, daß ihre – Mollys – Mutter die Wurzel mit anderen Kräutern zu vermischen pflegte und eine wunderbar heilkräftige Kerze herstellte, die sogar einen Säugling mit Hartleibigkeit zu beruhigen vermochte. Molly setzte nun ihren Ehrgeiz darein, durch Experimentieren die richtigen Kräuter herauszufinden und das Rezept ihrer Mutter neu zu erfinden.
    Dieser uneitle Stolz auf ihre Kenntnisse und Fähigkeiten weckte in mir den glühenden Wunsch, mich hervorzutun. »Ich kenne die Drescherwurzel«, sagte ich. »Man benutzt sie zur Herstellung einer Salbe für Schmerzen in Rücken und Schultern, daher auch der Name. Doch wenn man eine Tinktur daraus destilliert und sorgfältig mit Wein vermischt, läßt sie sich nicht herausschmecken und versetzt einen erwachsenen Menschen für einen Tag, eine Nacht und noch einen Tag in tiefen Schlummer. Ein Kind aber würde in den Tod hinüberschlafen.«
    Ihre Augen wurden groß, während ich redete, und bei meinen letzten Worten trat ein Ausdruck von Entsetzen auf ihr Gesicht. Ich verstummte und spürte wieder die Entfremdung zwischen uns. »Woher weißt du das?« fragte sie scharf.
    »Ich ... ich habe eine alte fahrende Wehmutter mit unserer Hebamme oben in der Burg reden gehört«, erfand ich schnell eine Ausrede. »Sie erzählte von einem verletzten Mann, dem man diese Medizin gab, damit er die größten Schmerzen verschlafen konnte, aber sein kleiner Sohn trank durch Zufall den Rest aus dem Glas. Wirklich eine sehr, sehr traurige Geschichte.« Ihre Züge erhellten sich wieder, und ich konnte fühlen, wie die kurze Verstimmung verflog. »Ich wollte dich nur warnen, vorsichtig zu sein. Laß die Wurzel nicht herumliegen, wo ein Kind sie erreichen könnte.«
    »Vielen Dank. Ich werde aufpassen. Interessierst du dich für Kräuter und Pflanzen? Ich

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