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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stimme vorlas, konnte ich sehen, wie Molly angestrengt bemüht war, sich das Gehörte einzuprägen. Bei der fünften Tafel zögerte ich. »Das hier ist kein Rezept.«
    »Was denn sonst?«
    Ich zuckte die Schultern und las weiter. »Am heutigen Tag wurde meine Molly Blaustern geboren, zart und süß wie diese kleine Blume. Zur Linderung der Wehenschmerzen verbrannte ich zwei Lorbeerkerzen und zwei Becherlichte, parfümiert mit zwei Handvoll der kleinen Veilchen, die bei Dowells Mühle wachsen, dazu eine Handvoll Rotwurzel, sehr klein gehackt. Möge sie desgleichen tun, wenn die Zeit gekommen ist, und ihre Stunde wird so leicht sein wie meine und die Frucht ihres Leibes ebenso vollkommen. Daran glaube ich fest.«
    Das war alles, und als ich zu Ende gelesen hatte, senkte sich eine fast greifbare Stille herab. Molly nahm mir die letzte Tafel aus der Hand und starrte sie an, als könnte sie zwischen den Zeilen Dinge sehen, für die ich blind war. Dann schrak sie zusammen und erinnerte sich an meine Gegenwart. Schweigend sammelte sie die Tafeln ein und verschwand wieder hinter dem Vorhang.
    Als sie zurückkam, nahm sie zwei hohe Wachsstöcke aus einem Regal und aus einem anderen zwei dicke rosafarbene Kerzen.
    »Ich brauche nur ...«
    »Still. Sie kosten nichts. Der Honigbeerenduft wird dir ruhige Träume bescheren. Ich mag ihn sehr, und du wirst ihn auch mögen.« Ihre Stimme klang freundlich, während sie das sagte und die Kerzen vorsichtig in meinen Korb legte, doch ich wußte, sie wartete darauf, daß ich ging. Trotzdem begleitete sie mich zur Tür und öffnete sie leise, um ihren Vater nicht zu wecken. »Auf Wiedersehen, Neuer«, sagte sie und schenkte mir zum Abschied ein echtes Lächeln. »Blaustern. Das habe ich nie gewußt. Blaufleck riefen sie mich auf der Straße. Ich nehme an, daß die älteren, die wußten, wie meine Mutter mich genannt hatte, es für lustig hielten. Und nach einer Weile ist der richtige Name in Vergessenheit geraten. Nun, es macht mir nichts aus. Ich habe ihn jetzt. Einen Namen von meiner Mutter.«
    »Er paßt zu dir«, platzte ich unwillkürlich heraus, und während sie mich verdutzt anstarrte und mir die heiße Röte in die Wangen stieg, machte ich mich eilig davon. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß es später Nachmittag war, fast schon Abend. In aller Eile erledigte ich den Rest meiner Einkäufe; den letzten Posten auf meiner Liste, einen Wieselbalg, mußte ich mir durch die geschlossenen Fensterläden eines Kaufmanns erbetteln. Widerwillig schloß er die Tür auf und murrte, er äße seine Abendmahlzeit gerne heiß, aber ich dankte ihm dermaßen überschwenglich, daß er mich für etwas einfältig gehalten haben dürfte.
    Auf dem steilsten Teil des Rückwegs zur Burg hörte ich unerwartet Hufschlag hinter mir. Er näherte sich aus der Richtung der Kais, und die Pferde gingen Galopp. Merkwürdig. Niemand im Ort hielt Pferde, die Straßen waren zu steil und felsig, als daß man großen Nutzen davon gehabt hätte. Auch drängte sich die ganze Stadt auf so engem Raum, daß Reiten höchstens zur Befriedigung der Eitelkeit diente. Demnach mußte es sich um Pferde aus den Ställen der Burg handeln. Ich trat zur Seite und wartete neugierig darauf zu sehen, wer Burrichs Zorn auf sein Haupt herabzubeschwören wagte, indem er bei schlechtem Licht und nassem Kopfsteinpflaster seine Lieblinge zu derart halsbrecherischer Gangart anspornte.
    Zu meiner Überraschung waren es Edel und Veritas auf den beiden Rappwallachen, die Burrichs ganzen Stolz darstellten. Veritas trug einen federgeschmückten Stab in der Hand, den Herolde als Zeichen für eine Nachricht von allerhöchster Wichtigkeit mitführten. Als sie meiner ansichtig wurden, reglos am Straßenrand, zügelten sie ihre Pferde so heftig, daß Edels Tier scheute und fast in die Knie gebrochen wäre.
    »Burrich wird außer sich geraten, wenn einem der Rappen etwas zustößt«, rief ich entsetzt und stürzte auf ihn zu.
    Edel gab einen unartikulierten Schrei von sich und wurde einen Sekundenbruchteil später von Veritas mit zitternder Stimme ausgelacht. »Du hast ihn für einen Geist gehalten, genau wie ich. Holla, Junge, du hast uns einen Schrecken eingejagt, so still dazustehen. Und ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, was meinst du, Edel?«
    »Daß du ein Dummkopf bist, Bruderherz. Halt den Mund.« Edel ruckte ärgerlich an den Zügeln und zog dann sein Lederwams zurecht. »Was treibst du so spät auf der Straße, Bastard? Um diese

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