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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich jedoch nicht, daß die Mißhandlungen der letzten Zeit mich von den Nachwirkungen der schlimmen Vorfälle im Bergreich kuriert hatten. Molly, dachte ich, hatte mit einer Berührung geheilt, was Kräuter, Salben und Trünke nicht zu bessern vermochten. Plötzlich lag der Tag schier endlos vor mir, Stunden, die sich zäh dahinschleppten, bis der Abend und die gnädige Dunkelheit uns erlaubten, wieder zusammen zu sein.
    Entschlossen verbannte ich Molly aus meinen Gedanken und nahm mir vor, den Tag mit Pflichten auszufüllen. Auf einen Schlag kam mir ein ganzes Dutzend in den Sinn. Ich hatte Philia vernachlässigt. Ich hatte Kettricken meine Unterstützung bei der Anlage ihres Gartens versprochen. Bruder Nachtauge war ich eine Erklärung schuldig, König Listenreich meine Aufwartung. Ich versuchte, die einzelnen Punkte nach Wichtigkeit zu ordnen. Hartnäckig hielt sich Molly an der Spitze der Agenda.
    Schweren Herzens setze ich sie an den Schluß und entschied mich für König Listenreich als Punkt Eins. Ich stellte mein Geschirr zusammen und trug es in die Küche zurück. Dort ging es hoch her. Einen Moment war ich erstaunt, bis mir der Grund einfiel – der heutige Abend war der erste Abend des Winterfestes. Altköchin Sara schaute vom Brotkneten auf und winkte mich zu sich. Ich trat an den Tisch und bewunderte, wie schon als Kind, ihre geschickten Finger, die eine Handvoll Teig nach der anderen zu Brötchen formten und zum Gehen in eine Reihe legten. Ihre Arme waren bis zu den Ellenbogen mit Mehl bestäubt, auch die Wange hatte etwas abbekommen. Das Getöse und Getriebe in dem großen Raum schuf eine besondere Oase der Ungestörtheit. Sara sprach leise, ich mußte mich anstrengen, um sie durch das Klappern und Stimmengewirr verstehen zu können.
    »Ich wollte dir nur sagen«, sie faltete und walkte einen neuen Batzen Teig, »daß ich weiß, wann jemand dummes Zeug redet. Und ich sage es ihm auch, wenn er hier in meiner Küche damit anfangen will. Im Wäschehof können sie meinetwegen tratschen, soviel sie wollen, und in der Spinnstube Märchen zusammenfabulieren, aber ich dulde nicht, daß man hier in meiner Küche schlecht über dich redet.« Sie schaute mich mit ihren wachen schwarzen Augen an, und mir war, als schwankte der Boden unter meinen Füßen. Es wurde geredet? Über Molly und mich?
    »Du hast an meinem Tisch gegessen und, als du noch klein warst, oft genug neben mir gestanden und in einem Topf gerührt, während wir uns etwas erzählt haben. Ich denke, ich kenne dich womöglich besser als die meisten. Und wenn sie sagen, du kämpfst wie ein Tier, weil du mehr Tier als Mensch bist, dann ist das bösartiges Geschwätz. Die Leichen waren übel zugerichtet, das ist wahr, aber ich habe Schlimmeres gesehen, wenn Männer im Zorn aneinandergeraten sind. Als Sal Flatfishs Tochter vergewaltigt wurde, hat sie den Unhold mit ihrem Fischmesser in Stücke geschnitten, mitten auf dem Marktplatz, schnippschnapp, wie sonst Köder für ihre Angelschnur. Was du getan hast, war nichts anderes.«
    Mein Herz setzte einen Schlag aus. Mehr Tier als Mensch… Es war noch nicht so lange her oder so weit entfernt, daß Menschen, die man verdächtigte, über die Macht zu gebieten, lebendigen Leibes verbrannt wurden. »Ich danke dir«, sagte ich mit angestrengt ruhiger Stimme und war nicht allzuweit von der Wahrheit entfernt, als ich hinzufügte: »Es war nicht alles mein Werk. Sie stritten um ihre – Beute, als ich dazukam.«
    »Ginnas Tochter. Du mußt nicht versuchen, mich zu schonen, Fitz. Ich habe selbst Kinder, erwachsen mittlerweile, aber wenn ihnen jemand etwas antun wollte, nun, dann würde ich mir wünschen, daß einer wie du zur Stelle wäre, um sie zu beschützen. Oder um sie zu rächen, wenn es für alles andere zu spät wäre.«
    »Ich fürchte, das was es.« Mein Frösteln war nicht gespielt. Vor meinem inneren Auge sah ich wieder die Blutrinnsale auf der kleinen, pummeligen Faust. Ich zwinkerte, aber das Bild wollte nicht verschwinden. »Jetzt muß ich mich sputen, Sara. Ich will heute dem König aufwarten.«
    »Wirklich? Nun, das trifft sich gut. Dann kann ich dir das hier mitgeben.« Sie holte einen Teller mit kleinen Quark- und Johannisbeertörtchen, stellte ihn auf ein Tablett und daneben eine Kanne heißen Tee und eine Tasse. »Sieh zu, daß er sie wenigstens probiert, Fitz.« Sie ordnete die Törtchen liebevoll an. »Ich weiß, wenn er erst einmal gekostet hat, wird er sie alle aufessen. Es sind seine

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