Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
und alle anderen wissen, daß ich nicht nur des Königs Vasall, sondern auch ein Born des Königs bin. Und…«
»Tut mir leid, Junge.« Burrich sagte es hart, beinahe gefühllos. »Hier steht mehr auf dem Spiel als dein Wohlergehen. Nicht, daß ich mir keine Sorgen um dich mache, aber ich glaube, für deine Sicherheit ist es besser, wenn Edel glaubt, du hättest die Gabe, und alle wissen, daß Veritas lebt, als wenn alle glauben, Veritas sei tot, und Edel die Zeit für gekommen hält, dich aus dem Weg zu räumen. Wir müssen heute abend unser Glück versuchen. Es mag gefährlich sein, und vielleicht erleben wir eine große Enttäuschung, aber wir müssen es versuchen.«
»Ich hoffe, du kannst irgendwo etwas Elfenrinde auftreiben«, murrte ich.
»Entwickelst du eine Vorliebe dafür? Nimm dich in acht.« Aber dann grinste er. »Ich bin sicher, daran wird es nicht scheitern.«
Ich erwiderte das Grinsen und war plötzlich erschrocken über mich selbst. Ich glaubte nicht, daß Veritas tot war. Das hatte ich mir mit diesem Grinsen eingestanden. Ich glaubte nicht, daß mein König-zur-Rechten tot war, und ich war im Begriff, mich Prinz Edel Auge in Auge gegenüberzustellen und ihn Lügen zu strafen. Befriedigender wäre nur noch gewesen, es mit der Axt zu tun.
»Kann ich dich um einen Gefallen bitten?« fragte ich Burrich.
»Kommt darauf an.«
»Paß gut auf dich auf.«
»Immer. Du auch.«
Ich nickte. Dann stand ich da und kam mir töricht vor.
Nach einer Weile seufzte Burrich und meinte: »Heraus damit. Falls ich zufällig Molly treffe, soll ich ihr sagen, daß…?«
Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. »Nur, daß ich sie vermisse. Was sonst könnte ich ihr sagen. Ich habe ihr nicht mehr zu bieten als das.«
Er sah mich an, ein seltsamer Blick. Sympathie, aber kein falscher Trost. »Ich werde es sie wissen lassen«, versprach er.
Ich verließ den Stall mit dem Gefühl, irgendwie ein Stück größer geworden zu sein. Ob ich je aufhören würde, mich daran zu messen, wie Burrich mich behandelte?
Ich ging geradewegs in die Küche, um mir etwas zu essen zu holen und dann auszuruhen, wie Burrich mir geraten hatte. In der Wachstube saßen die Helden von Guthaven und erzählten den Daheimgebliebenen von ihren Großtaten, während sie sich an Eintopf und Brot labten. Von beidem wollte auch ich mir eine angemessene Portion sichern und mich damit in mein Zimmer zurückziehen. Zu meinem Erstaunen dampfte es in der Küche überall aus brodelnden Töpfen, im Backtrog wurde Teig geknetet, und große Braten drehten sich am Spieß. Das Küchengesinde rührte, schälte und hackte und lief geschäftig hin und her.
»Heute abend gibt es ein Fest?« fragte ich begriffsstutzig.
Die alte Sara drehte sich zu mir herum. »Fitz, du bist es! Wieder zu Hause, lebendig und zur Abwechslung an einem Stück.« Sie lächelte, als hätte sie mir etwas Schmeichelhaftes gesagt. »Ja, natürlich, ein Fest, um den Sieg von Guthaven zu feiern. Wir werden euch doch nicht vergessen.«
»Veritas ist tot, und wir setzen uns zu einem Festmahl?«
Dieser Einwand brachte meine alte Freundin nicht aus der Ruhe. »Wäre Prinz Veritas hier, was würde er sagen?«
Ich seufzte. »Daß wir den Sieg feiern sollen. Daß Hoffnung manchmal wichtiger ist als Trauer um die Toten.«
»Genauso hat es mir auch Prinz Edel heute morgen erklärt«, nickte Sara zufrieden. Sie rieb Gewürze in eine Rehkeule. »Selbstverständlich trauern wir um ihn. Aber du mußt das verstehen, Fitz. Er hat uns verlassen. Edel ist derjenige, der hier ausgeharrt hat. Er ist geblieben, um für den König zu sorgen und unsere Küsten zu schützen, so gut er kann. Veritas ist fort, aber Edel ist noch hier bei uns. Und Guthaven ist nicht in die Hände der Korsaren gefallen.«
»Guthaven ist nicht gefallen, weil Edel hiergeblieben ist, um uns zu beschützen.« Ich wollte sichergehen, daß Sara das eine auf das andere zurückführte und nicht absichtslos im selben Atemzug erwähnte.
Sie nickte, während sie die Kräuter in das Fleisch massierte. Salbei sagte mir meine Nase. Und Rosmarin. »So wäre es von Anfang an richtig gewesen. Soldaten ausschicken. Die Gabe ist schön und gut, aber was nützt es zu wissen, was geschieht, wenn niemand etwas dagegen unternimmt?«
»Veritas hat die Kriegsschiffe ausgesandt.«
»Und sie schienen immer zu spät zu kommen.« Sie wandte sich mir zu und wischte die Hände an der Schürze ab. »Oh, ich weiß, du hast ihn sehr verehrt, Junge. Unser
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