Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
der Boden unter meinen Füßen. »Was versuchst du mir zu sagen?« flüsterte ich.
    Bei dem Schmerz in meiner Stimme wirbelte der Narr herum. »Nein, nein! Du verstehst mich falsch!« Er meinte es ehrlich. Für einen kurzen Augenblick sah ich hinter der neuen Fassade wieder meinen alten Freund. »Aber«, fuhr er mit gesenkter Stimme fort, und sein Ton war bedeutungsvoll, beinahe verschlagen, »wenn du überzeugt wärst, der König hätte deine Mutter ermordet, deine angebetete, liebende, hingebungsvolle Mutter, hätte sie ermordet und dir für immer entrissen. Glaubst du, dann könntest du ihn töten?«
    Ich war so lange blind gewesen, daß ich einen Moment brauchte, bis mir dämmerte, was er meinte. Edel glaubte, seine Mutter wäre vergiftet worden, das war einer der Gründe für seinen unversöhnlichen Haß auf mich und ›Lady Quendel‹. Er glaubte, wir hätten den Mord begangen, auf Befehl des Königs. Absurd. Königin Desideria war durch eigenes Verschulden gestorben. Edels Mutter hatte eine Vorliebe für alkoholische Getränke und andere berauschende Mittel gehabt. Als es ihr nicht gelang, bei Hofe die Rolle zu spielen, von der sie glaubte, daß sie ihr zustand, hatte sie Zuflucht zu diesen Freuden genommen. Listenreich hatte mehrere Male versucht, sie davon abzubringen, hatte sogar Chade um Kräuter und Tränke gebeten, die sie von ihrer Sucht befreien sollten. Nichts schlug an. Königin Desideria war durch Gift gestorben, damit hatte Edel recht, aber verabreicht von ihrer eigenen, willensschwachen Hand. Ich hatte es immer gewußt. Und weil es mir so selbstverständlich war, hatte ich nicht mit dem Haß gerechnet, der im Herzen eines verwöhnten Sohnes schwelte, der sich plötzlich seiner Mutter beraubt sah.
    War Edel imstande, einer solche Sache wegen zu töten? Natürlich. Hätte er Skrupel, die Sechs Provinzen an den Rand des Untergangs zu bringen, um Vergeltung zu üben? Nein. Die Inlandprovinzen, stets verläßlicher Rückhalt seiner aus dem Binnenland stammenden Mutter, nur die waren ihm wichtig. Bevor Desideria sich König Listenreich anvermählte, war sie Herzogin von Farrow gewesen. Berauscht von Wein und Drogen, pflegte sie oft zu behaupten, wäre sie Herzogin geblieben, hätte ihr größere Macht zu Gebote gestanden, so daß sie Farrow und Tilth hätte bewegen können, sich aus dem Verbund der Sechs Provinzen zu lösen und mit ihr als Königin zu einem eigenen Reich zusammenzuschließen. Galen, der Gabenmeister, Königin Desiderias Bastardsohn, hatte Edels Haß zusammen mit seinem eigenen gehegt und gepflegt. Haß, der groß genug war, die von ihm geschaffene Kordiale Edel als Werkzeug für seine Rachegelüste zur Verfügung zu stellen? Mir erschien es als ungeheuerliches Verbrechen, aber ja. Er hätte es getan. Hunderte von Unschuldigen erschlagen, entfremdet, Kinder verwaist, ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, und all das nur, weil ein vergrätztes Muttersöhnchen glaubte, Rache nehmen zu müssen für ein Unrecht, das ihm nur in seiner Einbildung widerfahren war. Kaum vorstellbar. Aber es paßte. Es paßte so lückenlos wie ein Sargdeckel.
    »Vielleicht sollte der gegenwärtige Herzog von Farrow anfangen, sich um seine Gesundheit Sorgen zu machen«, überlegte ich.
    »Er teilt die Vorliebe seiner älteren Schwester für guten Wein und Rauschmittel. Damit ausgestattet und an nichts sonst interessiert, wird er vermutlich ein langes Leben haben.«
    »Wie vielleicht auch König Listenreich?« warf ich vorsichtig ein.
    Ein schmerzliches Zucken lief über das Gesicht des Narren. »Ich glaube nicht, daß ihm noch ein langes Leben beschieden sein wird«, sagte er still. »Aber die Spanne, die ihm noch bleibt, sollte beschaulich sein, nicht erfüllt von Mord und Totschlag.«
    »Du glaubst, dazu wird es kommen?«
    »Wer weiß, was alles nach oben steigt, wenn man im Kessel rührt?« Er ging zur Tür, aber dort angekommen, blieb er noch einmal stehen und sah mich an. »Deshalb bitte ich dich, das Rühren zu unterlassen, Meister Löffel. Laß die Dinge ruhen.«
    »Das kann ich nicht.«
    Er legte die Stirn an den Türrahmen, eine ganz und gar unnärrische Geste. »Dann wirst du der Tod von Königen sein.« Kummervoll die Worte, mit leiser Stimme gesprochen. »Du weißt – was ich bin. Ich habe es dir gesagt. Ich habe dir gesagt, weshalb ich hergekommen bin. Das Ende des Geschlechts der Weitseher war einer der Wendepunkte. Kettricken trägt einen Erben. Das Geschlecht wird fortbestehen. Kann man einen

Weitere Kostenlose Bücher