Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Prinz Veritas war ein gutherziger Mann, der sich aufgerieben hat, um uns zu beschützen. Ich spreche nicht schlecht über die Toten. Ich sage nur, daß zu ›Denken‹ und auf die Jagd nach Uralten zu gehen, nicht die richtige Art ist, wie man gegen diese roten Schiffe ankommt. Daß Prinz Edel die Soldaten und Schiffe aussandte, sobald er die Nachricht erhielt, das hätten wir von Anfang an tun sollen. Wenn Prinz Edel die Dinge in die Hand nimmt, wendet sich vielleicht noch alles zum Guten.«
»Was ist mit König Listenreich?« fragte ich leise.
Daß sie meine Frage mißverstand, verriet mir, was sie wirklich dachte. »Nun, ihm geht es so gut, wie man erwarten kann. Er wird sogar zum Festmahl heute abend herunterkommen, wenn auch nicht für lange. Armer Mann. Er muß soviel leiden. Der arme, arme Mann.«
Der tote Mann. Sie hatte es so gut wie ausgesprochen. Nicht mehr König; Listenreich war nur noch ein armer, armer Mann für sie. »Glaubst du, unsere Königin wird bei dem Fest anwesend sein? Immerhin hat sie gerade erst vom Tod ihres Gemahls erfahren.«
»Ich denke schon, daß sie dabei sein wird.« Sara nickte vor sich hin, drehte klatschend den Schlegel herum und bestreute die andere Seite mit den getrockneten Kräutern. »Man erzählt sich, sie soll gesegneten Leibes sein.« Es klang skeptisch. »Heute abend will sie es verkünden.«
»Glaubst du nicht daran?« fragte ich unumwunden. Sie nahm es nicht übel.
»Ich zweifle nicht daran, daß sie schwanger ist, wenn sie es sagt. Es kommt einem nur ein bißchen komisch vor, daß sie erst damit herausrückt, nachdem sie von Prinz Veritas’ Tod erfahren hat.«
»Weshalb ist das komisch?«
»Nun, man wundert sich eben.«
»Wundert sich über was?«
Sara warf mir einen schrägen Blick zu, und ich verwünschte meine Ungeduld. Keinesfalls durfte ich ihren Redefluß zum Versiegen bringen. Ich wollte alles hören.
»Nun…« Sie zögerte, aber mein wißbegieriger Gesichtsausdruck stellte eine zu große Versuchung dar. »Worüber die Leute sich immer wundern, wenn eine Frau nicht empfängt und dann, wenn ihr Gatte weg ist, verkündet sie auf einmal, sie erwarte ein Kind von ihm.« Sara schaute sich mißtrauisch nach Horchern um, doch alle schienen emsig bei der Arbeit zu sein, wenn ich auch nicht bezweifelte, daß ein paar Ohren in unsere Richtung gespitzt waren. »Weshalb ausgerechnet jetzt? So plötzlich. Und wenn sie wußte, daß sie schwanger ist, was hat sie sich dabei gedacht, mitten in der Nacht davonzureiten, dorthin, wo Schwerter und Äxte geschwungen werden? Das ist ein seltsames Benehmen für eine Königin, die den Erben des Throns unter dem Herzen trägt.«
»Nun«, ich versuchte meiner Stimme einen milden Ton zu geben, »wenn das Kind da ist, wird sich erweisen, wann es gezeugt wurde. Wer Lust hat, an den Fingern die Monde abzuzählen, kann sich ja den Spaß machen. Außerdem«, ich beugte mich vertraulich vor, »habe ich gehört, daß einige ihrer Frauen vor ihrem Wegritt Bescheid wußten. Prinzessin Philia, zum Beispiel, und ihre Zofe Lacey.« Ich würde dafür sorgen müssen, daß Philia sich rühmte, als eine der ersten in das süße Geheimnis eingeweiht gewesen zu sein, und Lacey sich beim Gesinde mit ihrem Wissen hervortat.
»Ach, Prinzessin Philia.« Saras nachsichtige Herablassung zerstörte meine Hoffnung auf einen leichten Sieg. »Ich will ja nichts sagen, Fitz, aber sie kann manchmal etwas wunderlich sein. Lacey dagegen, ja, Lacey ist eine vernünftige Person. Aber sie redet nicht viel und hört auch nicht auf das, was andere reden.«
»Nun«, ich lächelte und kniff verschwörerisch ein Auge zu, »aus der Quelle habe ich mein Wissen – lange, bevor wir nach Guthaven aufgebrochen sind.« Ich beugte mich noch weiter vor. »Frag ein wenig herum. Ich wette, du wirst erfahren, daß Königin Kettricken schon seit einiger Zeit Himbeerblättertee gegen ihre Morgenübelkeit trinkt. Ich wette ein Silberstück, du wirst zugeben müssen, daß ich recht habe.«
»Ein Silberstück? Als ob ich so etwas zu verschenken hätte! Aber ich werde herumfragen, Fitz, ganz bestimmt. Und schäm dich, daß du diese große Neuigkeit nicht gleich mit mir geteilt hast. Wo ich dir immer soviel erzähle!«
»Nun gut, dann habe ich hier etwas für dich. Königin Kettricken ist nicht die einzige, die Mutterfreuden entgegensieht.«
»Oh? Wer noch?«
Ich lächelte geheimnisvoll. »Noch kann ich es dir nicht sagen, aber du wirst die erste sein, die davon erfährt.
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