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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Türen konnten ein Hindernis sein oder eine Hilfe, je nachdem. Ich rief mir all die gängigen Taktiken ins Gedächtnis. Den Betrunkenen mimen und die Wachen so lange reizen, bis sie der Versuchung nicht mehr widerstehen konnten und auf mich losgingen. Falls ich nicht eine Axt in Reserve hatte, würden sie nicht mehr als ein paar Minuten brauchen, um mit mir fertig zu werden. Faustkämpfe waren nicht meine Stärke. Nein. Ich wollte handlungsfähig bleiben. Mir kamen ein Dutzend Ideen, die ich eine nach der anderen verwarf. Zuviele Unwägbarkeiten. Mit wie vielen Wachen mußte ich rechnen? Kannte ich sie, war Freund Wallace anwesend, war Edel vorbeigekommen, um zu sehen, wie die Dinge standen? Auf dem Weg zu Kettrickens Gemächern hatte ich bemerkt, daß man die äußere Tür mit einer Art Portiere verhängt hatte. Die gröberen Trümmer waren weggeräumt worden, aber kleine und große Splitter lagen noch im Flur verstreut. Man hatte keine Handwerker gerufen, um eine neue Tür einzusetzen – ein weiteres Zeichen dafür, daß Edel nicht gedachte, je wieder nach Bocksburg zurückzukehren. Ich zerbrach mir den Kopf, unter welchem Vorwand ich mir Zutritt zu den Gemächern verschaffen könnte. Unten in der Burg herrschte geschäftiges Treiben, denn man erwartete die Ankunft der Herzöge von Bearns, Rippon und Shoaks mit ihrem Gefolge, die anreisten, um als Zeugen anwesend zu sein, wenn Edel zum König-zur-Rechten ernannt wurde. Für sie waren die minderen Gastquartiere im anderen Flügel vorgesehen. Ich fragte mich, wie sie auf das plötzliche Verschwinden des Königs und der Königin reagieren würden. Ob sie es als Verrat anprangerten, oder fand Edel eine Möglichkeit, den Skandal zu vertuschen? Und was bedeutete ein Beginn unter solchen Auspizien für seine Zeit als Thronfolger und Regent? Ich rief mich zur Ordnung. Diese Spekulationen halfen mir nicht, seine Aufpasser von dem König wegzulocken.
    Ich verließ mein Zimmer und wanderte durch die Burg der Hoffnung auf eine Inspiration, aber überall herrschten Trubel und Wirrwarr. Der Adel sämtlicher Provinzen kam zur Ernennung des neuen Thronfolgers. Ohne mein Zutun trugen meine Füße mich zu Veritas’ Arbeitszimmer. Die Tür stand halb offen, und ich ging hinein. Der Kamin war kalt, das Zimmer klamm, und es roch eindeutig nach Mäusen. Ich hoffte nur, die Schriftrollen, in denen sie ihre Nester gebaut hatten, waren nicht unersetzlich. Die, soweit ich es beurteilen konnte, wirklich kostbaren und wichtigen hatte ich Chade zur Aufbewahrung gegeben. Ich ging durch das Zimmer, berührte die Gegenstände, die ihm gehörten, und plötzlich vermißte ich ihn so sehr, daß es wehtat. Seine Unerschütterlichkeit, seine Ruhe, seine Kraft – er hätte die Dinge niemals so weit kommen lassen. Ich setzte mich auf seinen Stuhl vor dem Kartentisch. Schrammen und Tintengekritzel, wo er verschiedene Farben ausprobiert hatte, bedeckten die Platte. Hier zwei schlecht geschnittene Federn, ausgemustert, zusammen mit einem schütter gewordenen Pinsel. In einem Kasten mehrere kleine Töpfe mit Farbe, jetzt eingetrocknet und rissig. Ihr Geruch erinnerte mich an Veritas, so wie mich Leder und Lederfett immer an Burrich erinnerten. Ich beugte mich vor und stützte den Kopf in die Hände. »Veritas, wir brauchen dich jetzt.«
    Ich kann nicht kommen.
    Ich sprang auf und fiel hin, weil mein Fuß sich hinter einem Stuhlbein verhakte. Ungestüm rappelte ich mich auf. Noch ungestümer griff ich nach dem Kontakt. Veritas!
    Ich höre dich. Was ist los, Junge? Eine Pause. Du hast mich aus eigener Kraß erreicht, oder? Gut gemacht!
    Ihr müßt unbedingt nach Hause kommen!
    Warum?
    Meine Gedanken sagten ihm alles viel schneller als Worte und genauer, als ihm wahrscheinlich lieb war. Ich fühlte, wie ihn das, was er erfuhr, immer trauriger machte und müde. Kommt nach Hause. Wärt Ihr hier, könntet Ihr alles ins Lot bringen. Edel könnte nicht König-zur-Rechten werden, er könnte Bocksburg nicht ausplündern, wie er es tut oder den König von hier wegschaffen.
    Es ist unmöglich. Nimm dich zusammen und denk nach. Ich könnte nicht rechtzeitig kommen, um irgend etwas von diesen Dingen zu verhindern. Was geschieht, schmerzt mich, aber ich bin jetzt zu dicht vor dem Ziel, um aufzugeben. Und wenn es stimmt, daß ich Vater werde – dieses neue Gefühl wärmte seine Gedanken – ist es noch wichtiger, daß ich Erfolg habe. Mein Ziel muß sein, die Sechs Provinzen zusammenzuhalten und die Küste von den

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