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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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König Listenreich stammelte und schaute dann verwirrt auf die Schriftrolle, die man ihm gegeben hatte, damit er sie verlas. Endlich nahm Kettricken ihm das Pergament aus den zitternden Händen und er sah lächelnd zu ihr auf, während sie die Worte vorlas, die ihr ins Herz schneiden mußten. Es war die vollständige Auflistung der Kinder, die König Listenreich gezeugt hatte, eingeschlossen eine sehr jung gestorbene Tochter, erst nach dem Datum ihrer Geburt und dann nach dem Datum ihres Todes, bis zu Edel als dem einzigen Überlebenden und rechtmäßigen Erben. Sie stockte kein einzigesmal, auch nicht bei Veritas’ Namen, sondern las mit fester Stimme die kurze Anmerkung: »Während einer Reise zum Bergreich durch Unglücksfall zu Tode gekommen«, als wäre sie Bestandteil einer Zutatenliste. Das Kind, das sie trug, blieb unerwähnt. Ein ungeborenes Kind war ein Erbe, aber nicht König oder Königin-zur-Rechten. Erst mit wenigstens sechzehn Jahren konnte man diesen Titel beanspruchen.
    Kettricken hatte aus Veritas’ Truhe den einfachen Silberreif mit dem blauen Stein genommen, die Krone für einen König-zur-Rechten, und den Anhänger aus Gold und Smaragden in Gestalt eines springenden Rehbocks. Beides gab sie König Listenreich, der darauf niedersah, als wüßte er nichts damit anzufangen. Schließlich griff Edel danach, und der König duldete, daß er ihm das Geschmeide aus den Händen nahm, und Edel setzte sich die Krone auf und hängte sich die Kette um den Hals und stand vor uns, der neue König-zur-Rechten der Sechs Provinzen.
    Chades Zeitplanung war ungenau. Die Kerzen begannen erst zu zischen und blaue Funken zu sprühen, als die Herzöge vortraten, um erneut dem Haus Weitseher Treue und Gefolgschaft zu schwören. Edel bemühte sich, das Phänomen zu ignorieren, bis das Stimmengemurmel den Eid des Herzogs Ram von Tilth zu übertönen drohte. Dann drehte er sich wie selbstverständlich um und drückte die störende Kerze aus. Ich bewunderte ihn für sein Aplomb, besonders als fast im selben Moment eine zweite Kerze sich blau färbte und er ihr ebenfalls den Garaus machte. Ich für meinen Teil hielt es für etwas übertrieben, als eine Fackel in dem Wandhalter neben der großen Flügeltür plötzlich unter furchtbarem Gestank eine blaue Stichflamme ausstieß und dann zuckend erlosch. Es gab kein Auge, das nicht dorthin gerichtet war. Edel wartete scheinbar gelassen ab, doch ich sah, wie seine Wangenmuskeln mahlten und die kleine Ader, die an seiner Schläfe pochte.
    Ich weiß nicht, was er sich zum Abschluß seiner Zeremonie ausgemahlt hatte, denn nach diesen Vorfällen kam er ziemlich abrupt zum Ende. Auf sein schroffes Zeichen hin griffen die Musikanten in die Saiten, die Türen öffneten sich, und Männer trugen bereits mit Speisen beladene Tischplatten herein, Burschen mit den Schrägen kamen hinterhergelaufen. Wenigstens für dieses Fest zu seinen Ehren hatte er an Nichts gespart und die schön angerichteten Braten und Pasteten wurden freudig willkommen geheißen. Falls es an Brot zu mangeln schien, beschwerte sich niemand deswegen. Im kleinen Saal war für die königliche Familie und den Hochadel gedeckt, und dorthin sah ich Kettricken König Listenreich geleiten, gefolgt von dem Narren und Rosemarie. Für uns von weniger vornehmem Stand gab es einfachere Speisen, aber reichlich, und Platz zum Tanzen.
    Ich hatte vorgehabt, beim Essen tüchtig zuzulangen, doch ständig traten Männer an mich heran, die mir allzu brüderlich auf die Schulter klopften, oder Frauen, die allzu wissend meinem Blick begegneten. Die Küstenherzöge saßen mit den anderen an der königlichen Tafel, brachen zum Schein mit Edel das Brot und tranken auf das neu geschlossene Bündnis. Ich hatte damit gerechnet, daß die Herzöge von Rippon und Shoaks von Herzog Brawndy ins Bild gesetzt worden waren, doch es beunruhigte mich, feststellen zu müssen, daß offenbar jeder Bescheid wußte.
    Zelerita erhob keinen Anspruch auf mich als Kavalier, aber sie folgte mir wie ein Hündchen auf Schritt und Tritt. Wann immer ich mich umdrehte, sah ich sie auf kaum mehr als Armeslänge hinter mir stehen. Sie wünschte sich, daß ich mit ihr redete, aber ich traute mir nicht zu, die angemessenen Worte zu finden. Ich hätte beinahe die Fassung verloren, als ein kleiner Edelmann aus Shoaks mich beiläufig fragte, ob ich dächte, eins der Kriegsschiffe würde auch so weit südlich wie Trugbay stationiert werden.
    Mit sinkendem Mut erkannte ich meinen

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