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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich Molly schwor, sie zu lieben. Diese eine Geste genügte, um zu beweisen, daß ich all der Dinge schuldig war, die sie mir vorgeworfen hatte. Die Weitseher würden mir immer wichtiger sein als sie. Ich hatte Molly das Heiratsversprechen vor die Nase gehalten wie einen Köder, hatte ihren Stolz untergraben und ihren Glauben an mich. Mit ihrem Weggang hatte sie mir wehgetan. Was sie jedoch nicht hinter sich lassen konnte, war, was ich ihrem Selbstwertgefühl angetan hatte. Ein Leben lang würde sie die Überzeugung mit sich herumtragen, daß sie von einem eigensüchtigen, lügenhaften Knaben hintergangen und ausgenutzt worden war, der nicht einmal den Mut hatte, für sie zu kämpfen.
    Kann aus Verzweiflung Mut erwachsen? Oder war es lediglich Tollkühnheit und der Wunsch nach Selbstzerstörung? Ich ging entschlossen die Treppe hinunter und auf kürzestem Weg zu den Gemächern des Königs. Die Fackeln in den Wandhaltern neben seiner Tür ärgerten mich damit, daß sie blaue Funken sprühten, als ich vorbeiging. Etwas zuviel des Guten, Chade. Ob er sämtliche Kerzen und Fackeln in der Burg behandelt hatte? Ich schob die Portiere zur Seite und trat ein. Niemand da. Nicht im Tageszimmer, auch nicht im Schlafgemach des Königs. Der Raum wirkte kahl, nachdem die halbe Einrichtung entfernt und flußaufwärts verschifft worden waren. Man fühlte sich wie in einem Gastzimmer in einem mittelmäßigen Wirtshaus. Nichts mehr übrig, das sich zu stehlen lohnte, sonst hätte Edel eine Wache an die Tür gestellt. Auf seltsame Weise fühlte ich mich an Mollys Kammer erinnert. Hier waren noch persönliche Gegenstände vorhanden, Bettzeug, Kleidung und so weiter, aber es war nicht mehr das Gemach meines Königs. Ich ging zu einem Tisch und blieb davor stehen, auf genau demselben Fleck, wo ich als kleiner Junge gestanden hatte. Hier, während er frühstückte, hatte Listenreich sich von mir über die Fortschritte in meiner Ausbildung Bericht erstatten lassen und hatte mir zu verstehen gegeben, jedesmal, wenn ich mit ihm sprach, daß ich sein Untertan war, aber er auch mein König. Der Mann von damals war fort, aus diesem Raum getilgt. Stiefelspanner, Waffen, herumliegende Schriftrollen, die Unordnung eines tätigen Lebens war ersetzt worden durch Räuchergefäße zum Verbrennen von Kräutern und klebrige Tassen mit Heiltee. König Listenreich hatte diesen Raum schon vor langer Zeit verlassen. In dieser Nacht schafften wir einen kranken alten Mann hinaus.
    Ich hörte Schritte, und während ich mich für meine Unachtsamkeit verfluchte, schlüpfte ich hinter einen Vorhang und stand stockstill. Gedämpfte Stimmen im Tageszimmer. Wallace. Die spöttelnde Antwort kam von dem Narren. Ich verließ mein Versteck, schlich zur Zwischentür und lugte durch die provisorische Portiere. Kettricken saß neben dem König und sprach leise mit ihm. Sie sah müde aus, mit dunklen Ringen unter den Augen, aber sie lächelte für den alten Mann. Ich war erleichtert, ihn eine Antwort auf etwas murmeln zu hören, das sie gefragt hatte. Wallace kniete vor dem Kamin und legte mit mäkeliger Sorgfalt Holzstücke aufs Feuer. An der anderen Seite des Kamins hockte Rosemarie wie ein Häufchen Unglück, umbauscht von dem zerdrückten neuen Kleid. Sie gähnte schläfrig. Dann seufzte sie und setzte sich gerade hin. Ich hatte Mitleid mit ihr. Nach der langen Zeremonie hatte ich mich ganz genauso gefühlt. Der Narr stand hinter des Königs Stuhl, doch plötzlich drehte er den Kopf zur Seite und starrte mich an, als befände sich kein Vorhang zwischen uns. Sonst konnte ich in dem Raum niemanden entdecken.
    Ruckartig wandte der Narr sich wieder Wallace zu. »Ja, blas nur, Freund Wallace, blas tüchtig und heiß. Vielleicht brauchen wir gar kein Feuer, wenn die Wärme deines Atems die Kälte aus dem Zimmer vertreibt.«
    Wallace warf dem Narren über die Schulter einen finsteren Blick zu. »Statt nur dein Mundwerk schaffen zu lassen, könntest du dich wohl nützlich machen und mir frisches Holz holen? Das hier will nicht brennen, ich brauche aber heißes Wasser, um dem König seinen Schlaftee zu bereiten.«
    »Holz holen? Ich ein Holzholer? Hohl bin ich nicht, guter Wallace, schon gar kein hohles Holz, auf dem du pfeifen kannst. Wachen, heda, Wachen! Kommt herein und bringt Holz, aber noch anderes als nur das, welches ihr auf den Schultern tragt!« Der Narr hüpfte zur Tür, wo er an dem Vorhang eine Pantomime mit nicht vorhandenen Riegeln und Schlössern aufführte, bis er

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