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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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um die ich ihn nicht beneidete.
    Der Boden für ein dramatisches, mysteriöses Ereignis wie das plötzliche Verschwinden des Königs war gut vorbereitet. Nach den Geschichten vom Narbenmann und einer Schlange vor dem Kamin schien nun die Küche vom Unheil betroffen zu sein. Der Brotteig war nicht aufgegangen und die Milch in den Bottichen sauer geworden, bevor man auch nur den Rahm hatte abschöpfen können. Meine arme Freundin Sara war erschüttert bis ins Mark und erklärte, nie zuvor hätte sich in ihrer Küche etwas derartiges ereignet. Nicht einmal den Schweinen wollte man die umgegangene Milch hinschütten, so fest glaubten alle, sie sei verflucht. Das verdorbene Brot bedeutete die doppelte Arbeit für das Küchengesinde, das ohnehin reichlich damit zu tun hatte, die vielen Gäste satt zu bekommen, die zum Fest eingetroffen waren. Ich machte die Erfahrung, daß, wenn in der Küche Mißstimmung herrschte, eine ganze Burg davon angesteckt wurde.
    In der Wachstube hatte es gekürzte Rationen gegeben, der Eintopf war versalzen, das Bier aus unerklärlichen Gründen schal geworden. Der Herzog von Tilth beschwerte sich über Essig statt Wein in seinen Gemächern, was den Herzog von Bearns seinen Standesgenossen aus Rippon und Shoaks gegenüber zu der Bemerkung veranlaßte, selbst Essig wäre als Zeichen der Gastlichkeit in ihren Räumen willkommen gewesen. Die unglückliche Äußerung kam auf Umwegen Mistress Hurtig zu Ohren, die daraufhin sämtlichen Kammerdienern und Mägden eine gehörige Standpauke hielt, weil es ihnen nicht gelungen war, das Wenige, das Bocksburg noch an Annehmlichkeiten zu bieten hatte, auch auf die minderen Gastgemächer auszudehnen. Die Dienstboten rechtfertigten sich damit, von oben sei die Anweisung gekommen, die Aufwendungen für diese Gäste so gering wie möglich zu halten, doch fand sich niemand, der einen solchen Befehl gegeben oder auch nur weitergegeben haben wollte. So ging es den ganzen Tag, bis ich froh gewesen war, in Veritas’ Turm meine Ruhe zu haben.
    Doch ich konnte es nicht wagen, der Zeremonie fernzubleiben. Daraus hätte man zu leicht Schlüsse ziehen können. Also stand ich in der Menge, unglückliches Opfer eines Hemdes mit überweiten Ärmeln und einer scheußlich kratzigen Hose, und erwartete geduldig Edels Auftritt. Meine Gedanken waren nicht bei seinem Pomp und seinem Zeremoniell, ich hatte eigene Sorgen. War es Burrich gelungen, Pferde und Sänfte aus der Burg zu schmuggeln, ohne Verdacht zu erregen? Inzwischen war es dunkel geworden. Wahrscheinlich saß er bei diesem Wetter draußen, im kümmerlichen Schutz der kahlen Bäume. Den Pferden hatte er sicherlich Decken übergelegt, aber das nützte nicht viel gegen den Schneeregen, der jetzt fiel. Er hatte mir den Namen der Schmiede genannt, wo Rußflocke und Rötel untergebracht waren. Irgendwie mußte ich einen Weg finden, dem Mann weiterhin sein wöchentliches Bestechungsgeld zukommen zu lassen und oft nach ihnen zu sehen, um mich zu überzeugen, daß sie gut versorgt wurden. Ich hatte ihm in die Hand versprechen müssen, diese Aufgabe keinem anderen anzuvertrauen. Würde die Königin ihre Frauen wegschicken können und allein in ihren Gemächern sein? Und wieder und wieder, wie sollte ich die Wachen dazu bringen, ihren Posten in König Listenreichs Gemächern zu verlassen, damit Chade sein Zauberkunststück vollbringen konnte?
    Plötzliches Raunen störte mich aus meinen Gedanken auf. Ich schaute zum Podium, wohin alle Blicke gerichtet zu sein schienen. Ein kurzes Flackern, und für einen Moment brannte eine der weißen Kerzen dort mit blauer Flamme, dann knisternd eine zweite. Wieder lief ein leises Gemurmel durch die Reihen, aber die launischen Wachslichte hatten sich wieder beruhigt und brannten ruhig, als wäre nichts gewesen. Weder Kettricken noch König Listenreich schienen davon Notiz genommen zu haben. Nur der Narr schüttelte tadelnd sein Rattenzepter in Richtung der Unbotmäßigen.
    Endlich erschien Edel, ein Augenschmaus in rotem Samt und weißer Seide. Ein kleines Mädchen ging vor ihm her und schwenkte ein mit Sandelholz gefülltes Räuchergefäß. Er lächelte für uns alle, während er sich gemessenen Schrittes dem Thron näherte, doch verstand er es auf dem Weg durch das Spalier der Gäste, seine Anhänger besonders auszuzeichnen, mit einem Blick, einem Kopfnicken. Der Anfang war vielversprechend, aber ich bin sicher, der Rest der Zeremonie verlief nicht so reibungslos, wie Edel es geplant hatte.

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