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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zu resignieren.
    Welche Möglichkeit hatte ich, nüchtern betrachtet, an Edels Mauern und Wachen vorbeizukommen und meinen Plan auszuführen?
    Ein düsterer Gemütszustand, hatte Burrich mir einmal erklärt, gehörte zu den Nachwirkungen von Elfenrinde. Deshalb fühlte ich mich so miserabel. Nur deshalb.
    Ich sagte dem Wirt Lebewohl, und er wünschte mir viel Glück. Draußen stand die Sonne bereits hoch am Himmel, es schien wieder ein schöner Tag zu werden. Etwas leichteren Herzens machte ich mich auf, Poma zu verlassen und auf der großen Straße nach Fierant zu wandern.
    Am Stadtrand bot sich mir ein bedrückender Anblick – zwei Galgen, und an jedem hing ein Toter. Damit nicht genug, gleich daneben standen ein Schandpfahl und zwei Blöcke. Die Sonne hatte noch keine Zeit gehabt, das Holz auszubleichen, dennoch zeigten sie Spuren häufigen Gebrauchs. Ich beeilte mich, die unerfreuliche Stätte hinter mir zu lassen. Dabei mußte ich daran denken, daß man um Haaresbreite auch mich mit des Seilers Tochter vermählt hätte. Nur das königliche Blut in meinen Adern und das alte Gesetz hatten mich davor bewahrt, daß kein Sproß des Königshauses, und sei es auch ein Bastard, durch Hängen zu Tode gebracht werden dürfe. Ich erinnerte mich auch an Edels offensichtliches Vergnügen, mit dem er zugeschaut hatte, wie ich geschlagen wurde.
    Sorgenvoll überlegte ich, wo Chade sein mochte. Falls es Edels Schergen gelang, ihn zu fangen, zweifelte ich nicht, daß er ihn sich schnellstens vom Hals schaffen würde. Ich bemühte mich, das Bild zu verdrängen, wie Chade groß, dünn und grau im hellen Sonnenlicht auf dem Galgengerüst stand.
    Oder vielleicht hatte Edel anderes mit ihm im Sinn? Weniger schnell und gnädig?
    Ich schüttelte den Kopf, um mich von diesen Gedanken zu befreien, und ging an den armen Wichten vorbei, die im Wind flatterten wie vergessene Laken. Mit wahrem Galgenhumor vermerkte ich, daß selbst sie besser gekleidet waren als ich.
    Auf der Straße mußte ich immer wieder Fuhrwerken und Hirten mit ihrem Vieh ausweichen; zwischen Poma und Fierant herrschte ein lebhafter Warenverkehr. Das erste Stück Wegs führte mich an respektablen Gehöften vorbei, mit Kornfeldern zur Straße hin und Obstgärten hinter dem Haus. Etwas weiter waren es Gutshöfe unter schattigen Bäumen, gemauerte Wirtschaftsgebäude, umgeben von Grünanlagen, auf den Koppeln Jagd- und Reitpferde. Mehr als einmal hätte ich schwören können, ein Tier aus Bocksburger Zucht zu erkennen. Danach kamen große Felder, hauptsächlich Flachs und Hanf. Schließlich sah ich bescheidenere Wohnstätten, und diese verdichteten sich zu den Außenbezirken einer Stadt.
    Dachte ich. Der späte Nachmittag fand mich im Herzen einer Metropole mit gepflasterten Straßen und Gassen, und darauf unterwegs waren Scharen geschäftiger Menschen. Ich schaute mich nach allen Seiten um, gaffend wie der arme Vetter vom Lande. Läden, Schänken und Herbergen, Stallungen und Remisen für jeden Geldbeutel, und alles verschwenderisch weitläufig angelegt, ohne Raumnot in diesem flachen Land. Was für ein Gegensatz zu den engen, verwinkelten Städten und Dörfern der Marken! Ich geriet in einen Bezirk der Parks, Brunnen, Tempel, Theater und Schulen. Weiße Kieswege und gepflasterte Promenaden wanden sich beschaulich zwischen Rabatten, Statuen und Bosketten hindurch. Die Menschen, die dort unterwegs waren, gemächlich flanierend oder in offenen Kutschen, waren ausstaffiert, wie man es in Bocksburg höchstens bei förmlichen Empfängen sah. Einige von ihnen trugen die braungoldene Livree der Herzöge von Farrow, doch selbst die Kleidung dieser Lakaien war von besserer Qualität als mein ehemaliger Festtagsstaat.
    Hier also hatte Edel die Sommer seiner Kindheit zugebracht. Bocksburg war in seinen Augen immer nur wenig besser als ein Hinterwäldlerdorf gewesen. Ich versuchte, mir einen Knaben vorzustellen, der im Herbst gezwungen wurde, all dies zu verlassen, um in eine zugige Burg auf einem regengepeitschten, sturmumtosten Felsen über einem schäbigen Hafenstädtchen zurückzukehren. Kein Wunder, daß er seinen Hof hierher verlegt hatte, sobald es möglich war. Plötzlich empfand ich so etwas wie Verständnis für Edel und war zornig auf mich selbst. So gut es ist, genau über einen Mann Bescheid zu wissen, den man töten will, so schlecht ist es, ihn zu verstehen. Ich rief mir ins Gedächtnis, wie er seinen eigenen Vater ermordet hatte, meinen König, und verschloß mich

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