Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
stürzte mich in den Schlaf wie ein Taucher in die schwarze Tiefe. Zu spät erkannte ich den Sog, der mich gefangenhielt. Ich hätte mich gewehrt, doch ich wußte nicht wie, und im nächsten Augenblick schon sah ich um mich herum die große Halle von Burg Sturm Gestalt annehmen, der stärksten Festung des Herzogtums Bearns.
Die mächtigen Türflügel hingen zersplittert in den Angeln, aufgebrochen von der Ramme, die in der Öffnung auf dem Boden lag, ihr Zerstörungswerk getan. Rauch trieb in den Saal, wand sich in Schwaden um die Banner vergangener Siege. Wo Bearns’ Streiter versucht hatten, den Ansturm der Korsaren aufzuhalten, lag ein Berg von Toten. Ein paar Schritte hinter diesem Wall hielt ein Häuflein Verteidiger noch stand, in ihrer Mitte Herzog Brawndy mit seinen beiden jüngeren Töchtern Zelerita und Fideia. Die Mädchen führten das Schwert mit einem Geschick und einer Wildheit, die ich ihnen nicht zugetraut hätte, und bemühten sich, ihren Vater vor den herandrängenden Feinden zu schützen. Wie Zwillingsfalken wirkten sie, die Gesichter umrahmt von glattem schwarzen Haar, die dunkelblauen Augen schmal und haßerfüllt. Doch Brawndy wollte nicht beschützt werden, wollte sich nicht der blutrünstigen Horde beugen. Mit gespreizten Beinen stand er da wie im Boden verwurzelt, blutbespritzt, und schwang mit beiden Händen eine Kriegsaxt.
Zu seinen Füßen, beschützt von den Streichen der furchteinflößenden Waffe, lag der Leichnam seiner ältesten Tochter und Erbin. Ein Schwerthieb zwischen Schulter und Hals hatte ihr Schlüsselbein zertrümmert und war dann tief in ihre Brust gedrungen. Sie war tot, ohne jeden Zweifel tot, doch Brawndy wollte nicht von ihr lassen. Tränen rannen mit Blut vermischt über sein Gesicht. Seine Brust hob und senkte sich wie ein Blasebalg, und das zerrissene Hemd entblößte die mageren, wie Stricke angespannten Muskeln eines alten Mannes. Er hielt zwei mit Schwertern bewaffnete Korsaren in Schach, der eine ein ernst blickender Jüngling, der sein ganzes Können daran setzte, diesen Herzog zu töten, der andere eine Natter, mit gezückter Klinge darauf lauernd, eine Blöße zu nutzen, die der junge Mann schuf.
Im Bruchteil einer Sekunde überschaute ich die Lage und wußte, daß Brawndy nicht mehr viel länger standhalten konnte. Schon erlahmte sein Griff um den vom Blut schlüpfrigen Stiel der Axt, und jeder mühevolle Atemzug klang wie ein Röcheln. Er war ein alter Mann, und sein Herz war gebrochen. Er wußte, selbst wenn er diese Schlacht gewann, hatte er Bearns an die Roten Schiffe verloren.
Sein Leid schmerzte mich in tiefster Seele, doch trotz allem fand er noch einmal die Kraft, diesen unmöglich scheinenden Schritt nach vorn zu tun und mit einem gewaltigen Hieb dem Leben des ernsthaften jungen Mannes ein Ende zu setzen, der mit ihm gefochten hatte. Im selben Augenblick, als seine Axt sich in den Leib des Korsaren grub, schnellte der andere Mann vor, stieß mit dem Langschwert zu und sprang wieder zurück. Von der Klinge durchbohrt, stürzte Herzog Brawndy mit seinem sterbenden Gegner auf den blutigen Steinfußboden der Halle.
Zelerita, selbst in Bedrängnis, ließ bei dem klagenden Ausruf ihrer Schwester für einen Sekundenbruchteil in ihrer Aufmerksamkeit nach. Der Korsar, gegen den sie sich verteidigte, nutzte die Gelegenheit. Seine schwerere Waffe band ihre leichtere Klinge und riß sie ihr aus der Hand. Sie trat vor seinem grinsenden Zähneblecken zurück und wandte in Erwartung ihres Todes den Blick zur Seite, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Mörder ihres Vaters Anstalten machte, sich des Kopfes als Trophäe zu bemächtigen.
Ich konnte es nicht ertragen.
Ich stürzte mich auf die Axt, die Brawndy entfallen war, und umfaßte den blutigen Stiel, als wäre es die Hand eines alten Freundes. Das Gewicht war mir seltsam ungewohnt, doch ich riß sie hoch, fing das Schwert meines Angreifers ab und schmetterte es, mit einem Doppelschlag, der Burrich stolz gemacht hätte, nach oben und zurück, quer über sein Gesicht. Mit einem leichten Schaudern hörte ich die Knochen knirschen. Keine Zeit, darüber nachzudenken. Ein Satz über seinen zusammensinkenden Körper hinweg, ich ließ die Axt niedersausen, und die Klinge trennte die Hand des Mannes ab, der sich den Kopf meines Vaters nehmen wollte, und prallte mit einem spröden Glockenton auf die Steinplatten des Fußbodens; ich spürte die Erschütterung bis in die Schultern hinauf. Blut regnete auf mich
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