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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erbitterter Angriff, um die Landsleute zu befreien, die in Feindeshand gefallen waren. Auf diese Art verleibte Shoaks sich einiges an Gebieten ein, die ursprünglich zu Chalced gehört hatten. Der Friede zwischen diesen beiden Ländern steht von jeher auf schwachen Beinen. Chalced beklagt in regelmäßigen Protestnoten, daß Shoaks nicht nur entlaufenen Sklaven Unterschlupf bietet, sondern auch andere ermutigt, die Flucht zu wagen. Kein Herrscher der Sechs Provinzen hat je diesen Sachverhalt in Abrede gestellt.
     
    Mein einziges Ziel war nun, zu Veritas zu gelangen, irgendwo jenseits des Bergreiches. Um das zu bewerkstelligen, mußte ich erst ganz Farrow durchqueren, kein leichtes Unterfangen. Die Uferregion des Vin ist lieblich und fruchtbar, aber je weiter man sich von ihm entfernt, desto karger wird das Land. Auf ausgedehnten Ackerflächen werden Flachs und Hanf angebaut, doch wo der fruchtbare Boden endet, beginnt weite, ebene Steppe, genutzt einzig von den Nomadenstämmen mit ihren Herden. Auch sie ziehen sich in zeitweilige Dörfer an Flüssen oder bei Wasserstellen zurück, sobald die ›grüne Zeit‹ des Jahres vorüber ist. In den Tagen nach meiner Flucht aus Burg Fierant begann ich mich zu fragen, was König Herrscher bewogen haben mochte, Farrow zu unterwerfen, erst recht, es den Sechs Provinzen einzugliedern. Mein Weg führte ausgerechnet quer durch das ungastliche Landesinnere zum Blauen See, den ich überqueren mußte, um dann dem Kalten Fluß zu folgen, der seine Quelle in den Ausläufern des Gebirges hat. Die Reise war eine gewaltige Herausforderung für einen Mann allein. Und ohne Nachtauge war ich genau das – allein und einsam.
    Landeinwärts gibt es keine größeren Niederlassungen, nur Ansammlungen menschlicher Behausungen in der Nähe der wenigen Quellen, die hier und da grüne Oasen gedeihen lassen. Die meisten davon verdanken ihr Dasein den Handelskarawanen, die ihre Route nach den Wasserstellen ausrichten. Es besteht ein Warenaustausch zwischen den Menschen am Vinfluß und am Blauen See, und auf demselben Weg gelangen die Güter aus dem Bergreich zu den Märkten der Sechs Provinzen. Unter diesem Aspekt war es für mich das Naheliegende, Anschluß an einen Wagen- oder Viehtreck zu suchen. Aber naheliegend ist nicht immer gleichbedeutend mit einfach.
    Als abgerissener Bettler war ich nach Fierant gekommen, und ich verließ es als Stutzer auf einem der edelsten Tiere, die je aus Bocksburger Zucht hervorgegangen waren. Doch nachdem Pfeil in der Ferne verschwunden war, kam mir der Ernst meiner Lage zum Bewußtsein. Meine Habseligkeiten bestanden aus der gestohlenen Kleidung, meinen Stiefeln, dem Gürtel samt Beutel, einem Messer und einem Schwert, dazu kamen ein Ring sowie ein Medaillon mit Kette. Meine Börse war leer bis auf die Utensilien zum Feuermachen, einen Wetzstein und eine größere Auswahl an Giften.
    Wölfe sind nicht dazu bestimmt, allein zu jagen. Das hatte Nachtauge einmal zu mir gesagt, und bevor der Tag zu Ende war, mußte ich die Weisheit dieser Aussage anerkennen. Meine einzige Mahlzeit bestand aus Wurzeln und ein paar Nüssen, die ein Eichhörnchen in einem zu offensichtlichen Versteck gehortet hatte. Ich hätte liebend gern das Eichhörnchen verspeist, das aus dem Geäst auf mich herunterschimpfte, doch mir fehlten die Mittel, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Während ich mit einem Stein die Nüsse aufklopfte, dachte ich darüber nach, wie mir eine nach der anderen die Illusionen abhanden gekommen waren, die ich mir über meine Talente gemacht hatte.
    Etwa, daß ich ein selbstgenügsamer, tüchtiger Bursche wäre. Ich war stolz gewesen auf meine Fähigkeiten als Assassine, hatte mich sogar in dem Glauben gewiegt, wenn ich meine Gabe auch nicht zuverlässig beherrschte, könnte ich es durchaus mit jedem in Galens Kordiale aufnehmen, was das Potential anging. Doch FitzChivalric ohne König Listenreichs Unterstützung, ohne seinen Wolf, der für ihn jagte, ohne Chade mit seinem überlegenen Weitblick und Veritas’ Hilfe mit der Gabe, war ich ein ratloser Halbwüchsiger mit knurrendem Magen, in gestohlenen Kleidern, auf halbem Weg zwischen Bocksburg und den Bergen und ohne große Aussichten, dem einen oder anderen wesentlich näher zu kommen.
    So prachtvoll entmutigend diese Gedanken auch waren, sie vermochten nicht, Veritas’ Gabenbefehl seine Dringlichkeit zu nehmen. Komm zu mir! War es seine Absicht gewesen, mir diese Worte wie mit einem Brandeisen einzuprägen? Ich

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