Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Ich wollte ihnen keinen Grund geben, mich handgreiflich zur Räson zu bringen. Trotzdem – ich mußte all meine Willenskraft aufbieten, um ruhig sitzenzubleiben und meine Lage zu überdenken. Allein das Gewicht der Menge Eisen wirkte einschüchternd, dazu die feindselige Kälte des Metalls auf meiner Haut. Ich senkte den Kopf und schaute auf meine Füße. Kujon bemerkte, daß ich wieder bei Besinnung war, trat zu mir und blickte auf mich hinunter. Ich behielt meine zusammengesunkene Haltung bei.
»Sag was, verflucht noch mal«, fuhr er mich an.
»Ihr habt den falschen Mann gefangen, Herr«, stieß ich verängstigt hervor. Auch wenn ich ihn nicht überzeugen konnte, vielleicht gelang es mir, in seinen Leuten Zweifel zu wecken.
Kujon lachte. Er setzte sich ans Feuer und ließ sich nach hinten auf die Ellenbogen sinken. »Wenn es so ist, hast du eben verdammt großes Pech. Aber ich weiß, du bist der Richtige. Sieh mich an, Bastard. Wie kommt es, daß du nicht tot geblieben bist?«
Ich warf ihm einen scheuen Blick zu. »Ich weiß nicht, was Ihr meint, Herr.«
Die falsche Antwort. Wie eine große Katze schnellte er aus seiner liegenden Stellung empor und stürzte sich über das Feuer hinweg auf mich. Die Angst verlieh mir Kraft aufzuspringen, doch es gab kein Entkommen. Er bekam meine Kette zu fassen, zog mich hoch und schlug mir den Handrücken ins Gesicht. »Sieh mich an.«
Ich gehorchte.
»Wie ist es gekommen, daß du nicht gestorben bist, Bastard?«
»Ich war das nicht. Ihr habt den falschen Mann.«
Wieder der Handrücken.
Chade hatte mir einmal gesagt, auf der Folter sei es leichter, standhaft zu bleiben, wenn man alle Gedanken darauf richtet, was man sagen will und nicht auf das, was man verschweigen möchte. Natürlich war es dumm und sinnlos, Kujon zu erzählen, ich sei nicht FitzChivalric. Er wußte es besser. Doch nachdem ich einmal damit angefangen hatte, blieb ich dabei. Beim fünften Schlag meldete einer seiner Männer sich zu Wort.
»Mit allem Respekt, Hauptmann.«
Kujon warf dem Soldaten einen wütenden Blick zu. »Was gibt’s?«
Der Mann befeuchtete sich die Lippen. »Die Belohnung, Hauptmann. Sie wird nur ausgezahlt, wenn der Gefangene noch lebt.«
Kujon schaute wieder mich an. Es war beängstigend, diesen Hunger in ihm zu erkennen, der ihn beherrschte wie Veritas der Hunger nach der Gabe. Dieser Mann liebte es, anderen Schmerzen zuzufügen. Liebte es, langsam zu töten. Daß er es nicht durfte, vergrößerte seinen Haß auf mich. »Ich weiß«, fertigte er den Mann schroff ab. Ich sah seine Faust kommen, doch ausweichen konnte ich ihr nicht.
Als ich diesmal zu mir kam, war es heller Morgen. Schmerz. Geraume Zeit nahm ich nichts anderes wahr. Schmerzen, marternde Schmerzen in meiner Schulter und den Rippen. Wahrscheinlich hatte Kujon mich mit Fußtritten traktiert. So, wie mein Gesicht sich anfühlte, hütete ich mich, eine Miene zu verziehen. Weshalb, grübelte ich benommen, ist Schmerz immer doppelt schlimm, wenn man friert? Ich fühlte mich eigenartig getrennt von der Wirklichkeit meiner Lage. Eine Weile lauschte ich nur und hielt die Augen geschlossen. Die nach langen Tagen vertraut gewordenen Geräusche der allmorgendlichen Vorbereitungen zum Aufbruch. Ich hörte, wie Maestro Dell Tassin anschrie, die laut weinend darauf beharrte, sie hätte ein Recht auf die Belohnung und wenn er ihr hülfe, sie einzufordern, könne er sein Lehrlingsgeld wiederhaben. Er zeigte keine Neigung, auf ihren Vorschlag einzugehen, sondern befahl ihr, in den Wagen zu steigen. Dennoch hörte ich ihre eiligen Schritte in meine Richtung kommen. Doch es war Kujon, den sie in flehendem Ton ansprach. »Ich hatte recht. Ihr wolltet mir nicht glauben, aber ich hatte recht. Ich habe Euch den Hinweis gegeben. Ohne mich wärt Ihr fortgeritten, ohne zu wissen, daß er hier auf Armeslänge vor Euch gestanden hat. Das Gold gehört mir, aber ich will Euch gern die Hälfte abgeben. Das ist mehr, als Ihr von Rechts wegen verlangen könnt, das wißt Ihr.«
»Ich an deiner Stelle würde in den Wagen klettern«, riet Kujon ihr kalt. »Sonst ist er weg, und wir sind weg, und du stehst allein auf weiter Flur und hast nichts anderes als einen langen Fußmarsch vor dir.«
Tassin war klug genug, keine Widerworte zu geben, doch auf dem Rückweg zum Wagen murmelte sie Flüche und Schimpfnamen vor sich hin. Von Dell wurde sie mit einem Donnerwetter empfangen, sie sei eine vermaledeite Last und Plage, und am Blauen See könne sie
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