Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
sich darauf gefaßt machen, in einen anderen Dienst zu kommen, da werde man ihr die Flausen schon austreiben!
»Stell ihn auf die Füße, Joff«, wies Kujon einen seiner Leute an.
Kaltes Wasser schwappte mir ins Gesicht. Ich wollte die Augen aufreißen, aber nur eins ließ sich öffnen. Verschwommen sah ich, wie eine Soldatin sich nach meiner Kette bückte und daran riß. Der Ruck ließ eine Heerschar untergeordneter Schmerzen erwachen. »Steh auf!« befahl sie. Ich brachte ein Nicken zustande, dabei machte sich ein lockerer Zahn bemerkbar. Mein anderes Auge schien zugeschwollen zu sein. Ich wollte die Hände heben, um mich zu überzeugen, wie übel mein Gesicht zugerichtet war, doch ein erneuter Ruck an der Kette ermahnte mich, es bleiben zu lassen. »Soll er reiten oder laufen?« fragte die Soldatin namens Joff, während ich mich mühsam vom Boden aufraffte.
»Von mir aus könnte er den ganzen Weg bis Fierant hinterherlaufen, aber das würde uns zu sehr aufhalten. Er reitet. Setz ihn auf dein Pferd, du steigst solange hinter Arno auf. Binde ihn im Sattel fest und halte dein Pferd gut an der Leine. Er stellt sich jetzt dumm, aber er ist hinterhältig und verschlagen. Ich weiß nicht, ob er mit der Alten Macht all das zu vollbringen vermag, was man ihm nachsagt, aber ich möchte es nicht herausfinden. Also sei auf der Hut und hab gut auf ihn acht. Wo steckt Arno überhaupt?«
»Im Gebüsch, Hauptmann. Seine Eingeweide rumoren. Schon heute nacht war er dauernd unterwegs, Ballast abwerfen.«
»Hol ihn her.« Kujons Ton ließ keinen Zweifel daran, daß ihm die Nöte des Mannes gleichgültig waren. Meine Aufpasserin eilte davon, und ich war eine Weile mir selbst überlassen. Vorsichtig betastete ich mein Gesicht. Ich hatte nur den einen Schlag kommen sehen, aber offenkundig waren ihm weitere gefolgt. Beiß die Zähne zusammen, ermahnte ich mich streng. Gib nicht auf und warte ab, welche Möglichkeiten sich bieten. Als ich die Hände sinken ließ, sah ich Kujon, der mich beobachtete.
»Wasser?« fragte ich undeutlich.
Ich rechnete nicht damit, daß mein Wunsch erfüllt werden würde, doch er winkte einem seiner Männer, der mir einen Eimer Wasser und zwei Stücke Hartbrot brachte. Ich trank und kühlte mein Gesicht. Das Brot war sehr hart, und mein Mund war zerschlagen, aber ich bemühte mich, trotzdem zu essen; mehr würde ich bis zum Abend wahrscheinlich nicht bekommen. Mein Beutel war verschwunden, vermutlich hatte Kujon ihn mir abgenommen. Burrichs Ohrring verloren – der Gedanke versetzte mir einen Stich. Während ich vorsichtig an meinem Stück Hartbrot nagte, fragte ich mich, ob er sich wohl über die verschiedenen Pulver und Phiolen gewundert hatte.
Wir verließen die Wasserstelle als erste. Merle sah noch einmal zu mir her, doch ich konnte ihre Miene nicht deuten. Creece und mein Herr vermieden es tunlichst, mich anzuschauen, aus Furcht, etwas von meiner Verderbtheit könnte auf sie abfärben. Es war, als hätten sie mich nie gekannt.
Man hatte mich auf eine kräftige Stute gesetzt und meine Handgelenke eng am Sattelknauf festgebunden, so daß es mir unmöglich war, in halbwegs bequemer Haltung zu reiten – auch wenn ich mich nicht gefühlt hätte wie eine zerbrochene Gliederpuppe. Man hatte mir nur die kurze Kette zwischen den Fußknöcheln abgenommen; die längere Kette, die zu meinen Handgelenken führte, hing aufgewickelt am Sattel. Die eisernen Spangen scheuerten mir die Haut blutig. Ich hatte keine Ahnung, wohin mein Hemd verschwunden war, aber ich vermißte es schmerzlich. Das Pferd und die Bewegung würden mich etwas wärmen, doch bei weitem nicht genug. Als ein sehr bleichgesichtiger Arno in den Sattel gestiegen war und Joff hinter sich hatte aufsitzen lassen, machten wir uns auf den Weg zurück nach Fierant. Mein Gift, überlegte ich resigniert, hatte nichts weiter bewirkt, als einem von Kujons Leuten zu beschleunigter Verdauung zu verhelfen. So ein großartiger Assassine war ich.
Komm zu mir.
Gerne, wenn ich nur könnte, antwortete ich der fordernden Stimme in meinem Kopf müde. Wenn ich nur könnte. Jeder Schritt der Stute beflügelte den Chor meiner Schmerzen, wobei sich besonders meine Schulter hervortat, die entweder gebrochen oder ausgekugelt war. Trotz allem fühlte ich mich seltsam unbeteiligt und überlegte nüchtern, ob ich hoffen sollte, lebend nach Fierant zu gelangen, oder meinen Häschern einen Grund geben sollte, mich vorher zu töten. Mir fiel keine raffinierte
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