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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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knien, mein eigenes Fleisch diesem magischen Strom auszuliefern. Gleich ihm war ich der Überzeugung, daß man darin Heilung fand, Erlösung, Sublimierung. So einfach. Veritas mußte nichts weiter tun, als sich vorbeugen und fallen lassen. Auf den Knien liegend, neigte er sich über die Flut; der Schweiß, der von seinem Gesicht tropfte, verdampfte auf der nahezu spiegelglatten Oberfläche. Sein Kopf war gesenkt, und seine Schultern hoben und senkten sich unter keuchenden Atemzügen. Plötzlich bat er mich mit kaum hörbarer Stimme: »Zieh mich zurück.«
    Ich hätte nicht die Kraft besessen, ihn aufzuhalten; doch als ich jetzt meinen Willen mit dem seinen verband und wir uns gemeinsam gegen den Sog stemmten, waren wir eben stark genug. Veritas konnte seine Unterarme und Hände aus der Substanz befreien, obwohl es sich anfühlte, als zöge er sie aus festem Stein. Widerwillig gab sie ihn frei, und als er zurücktaumelte, spürte ich für einen Augenblick uneingeschränkt, woran teilzuhaben ihm vergönnt gewesen war. Die Ganzheit der Welt floß dort wie ein einziger, reiner, endlos klingender Ton. Es war nicht das Lied der Menschheit, sondern ein älteres, erhabeneres Lied von universellem Gleichgewicht und purem Sein. Hätte Veritas sich darin aufnehmen lassen, wäre es das Ende all seiner Leiden gewesen.
    Doch er stand mühsam auf und kehrte dem Strom den Rücken. Er hielt die Arme ausgestreckt, die Innenflächen der Hände in einer heischenden Gebärde nach oben gewendet. Ihre Form war unverändert, doch sie glänzten nun silbern von der Macht, die sein Fleisch durchdrungen hatte. Als er den Rückweg antrat, mit derselben verbissenen Zielstrebigkeit, die ihm erlaubt hatte, bis hierher zu kommen, fühlte ich ein Brennen in seinen Armen und Fingern, das mich an die Schmerzen meiner Erfrierungen erinnerte.
    »Ich verstehe das alles nicht«, sagte ich zu ihm.
    »Geduld.« Er vermittelte den Eindruck einer tiefgehenden Dualität. Die Gabe brannte in ihm wie ein unvorstellbar heißes Schmiedefeuer, doch einfach nur einen Fuß vor den anderen zu setzen überforderte schon fast seine Kräfte. Mühelos vermochte er mein Bewußtsein gegen die Lockung des Stroms abzuschirmen; aber andererseits war sein Körper für ihn selbst eine bleierne Last, die von der Stelle zu bringen er seinen ganzen Willen aufbieten mußte. »Fitz, komm zu mir. Bitte.« Diesmal war es kein Gabenbefehl, nicht einmal das Gebot eines Prinzen, sondern das Ersuchen eines Freundes. »Ich habe keine Kordiale, Fitz. Nur dich. Wäre die Kordiale, die Galen für mich schuf, wahrhaftig gewesen, hätte ich mehr Vertrauen, daß das, was ich tun muß, möglich ist. Doch sie haben mich nicht nur verraten, sie wollen mein Tun vereiteln. Sie picken an mir wie Raben an einem verendenden Hirsch. Auch wenn ihre Attacken mich nicht vernichten können, sind sie jedoch geeignet, mich zu schwächen, so sehr, fürchte ich, daß ich versage. Oder schlimmer noch, sie lenken mich ab und vollenden, was mein Werk sein sollte. Das dürfen wir nicht zulassen, Junge. Du und ich sind alles, was zwischen ihnen und ihrem Triumph steht. Du und ich. Die Weitseher.«
    Ich war nicht körperlich bei ihm, doch er lächelte mich an und legte eine glänzende Hand an mein Gesicht. War es Absicht, was er tat? Ich weiß es nicht. Jedenfalls traf es mich, als hätte mir ein Soldat seinen Schild ins Gesicht gerammt. Doch kein Schmerz. Bewußtheit. Wie Sonnenschein, der durch Wolken bricht und eine Lichtung im Wald erhellt. Alles stand mir plötzlich klar umrissen vor Augen. Ich sah die verborgenen Ursachen und Gründe für unsere Handlungen und begriff mit schmerzhafter Objektivität, weshalb es unumgänglich war, daß ich dem vorgezeichneten Weg folgte.
    Dann versank alles um mich, und ich war von Schwärze umgeben. Veritas war verschwunden und das Licht der Erkenntnis mit ihm. Doch für einen kurzen Augenblick hatte ich das Ganze gesehen. Allein schwebte ich jetzt in der Dunkelheit, aber mein Selbst war so winzig, daß ich nur existieren konnte, wenn ich mich mit aller Gewalt daran festklammerte. Das tat ich.
    Leise, als wäre sie weit entfernt, hörte ich Merle angstvoll rufen: »Was fehlt ihm?« Und Chade erwiderte schroff: »Das ist nur ein Anfall, wie er sie von Zeit zu Zeit bekommt. Sein Kopf, haltet seinen Kopf fest, oder er wird sich den Schädel einschlagen.« Wie durch dicken Stoff hindurch fühlte ich Hände nach mir greifen und mich festhalten. Ich überließ mich ihnen und der

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