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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Vergib dir selbst. Komm hervor.«
    Ich umfing das Handgelenk des Narren und hielt ihn neben mir fest. Irgendwo fühlte ich auch Nachtauge. Sie befanden sich jeder wieder in seinem eigenen Bewußtsein, aber ich konnte sie ohne Mühe erreichen. Ich zog Kraft von ihnen ab, langsam, vorsichtig. Ich nahm von ihrer Kraft und Liebe und leitete sie durch den winzigen Riß in Krähes Panzer.
    Einzelne Tränen rollten über ihre runzligen Wangen. »Ich kann nicht. Das ist das Schlimmste – ich kann es nicht. Sie haben meine Gabe ausgebrannt, um mich zu bestrafen, aber es war nicht genug. Es kann niemals genug sein. Nie und nimmer kann ich mir selbst vergeben.«
    Gabe strömte von ihr aus, als sie in dem Bemühen, sich verständlich zu machen, meine Hand umklammerte. Die Berührung verurteilte mich dazu, ihren Schmerz mitzuempfinden. »Und wer könnte dir vergeben?« fragte ich.
    »Möwe. Meine Schwester Möwe!« Der Name kam nur schwer über ihre Lippen, und ich spürte, daß sie sich unendlich lange geweigert hatte, ihn zu denken, geschweige denn auszusprechen. Ihre Schwester, nicht nur eine Gabengefährtin, sondern ihre leibliche Schwester.
    Und sie hatte sie getötet, im Jähzorn, als sie sie mit Steiper fand. Dem Junktor der Kordiale?
    »Ja«, flüsterte sie, obwohl es zwischen uns nun keiner gesprochenen Worte mehr bedurfte. Ich hatte die Verhärtungen durchbrochen. Steiper, stark und schön. Ihn lieben, mit dem Körper, mit der Gabe, eine Erfahrung von Einssein wie nichts sonst. Aber dann hatte sie ihn ertappt, ihn und Möwe, und sie hatte...
    »Er hätte es besser wissen müssen«, fuhr ich zornig auf. »Ihr wart Schwestern und Angehörige seiner eigenen Kordiale. Wie konnte er dir das antun? Wie konnte er nur!«
    »Möwe!« rief sie laut, und für einen Augenblick sah ich sie. Sie befand sich hinter einer zweiten Mauer; beide waren dort, Falkin und Möwe. Zwei kleine Mädchen liefen barfuß an einem Strand entlang, dicht am Saum der eisigen Wellen, die über den Sand leckten. Zwei kleine Mädchen, Zwillinge, die Freude ihres Vaters, die dem kleinen Boot entgegenstürmten, das sich dem Ufer näherte, um zu sehen, was Papa heute in seinen Netzen gefangen hatte. Salzluft, der Jodgeruch der verknäuelten, gallertigen Tangklumpen, durch die sie jauchzend hindurchpatschten. Zwei kleine Mädchen, Möwe und Falkin, eingeschlossen und versteckt hinter einer Mauer in Krähes Bewußtsein. Aber ich konnte sie sehen, auch wenn Krähe selbst es nicht vermochte.
    Ich sehe sie; ich kenne sie, und sie kannte dich, durch und durch. Blitz und Donner nannte eure Mutter euch, denn während dein Zorn aufflammte und vergessen war, konnte Möwe wochenlang einen Groll mit sich herumtragen. Aber nie hegte sie Groll gegen dich, Falkin. Niemals gegen dich. Sie liebte dich, mehr als jede von euch Steiper liebte. Sie liebte dich, wie du sie geliebt hast, und sie hätte dir verziehen. Sie hätte nie gewollt, daß du so leidest.
    Ich... weiß nicht.
    Doch, du weißt es. Schau sie an. Schau dich an. Vergib dir selbst. Und laß sie wieder in dir lebendig sein. Gestatte dir selbst wieder zu leben.
    Sie ist in mir?
    Bestimmt. Ich sehe sie; ich fühle sie. Es muß so sein.
    Was fühlst du? Vorsichtig.
    Nur Liebe. Komm und sieh selbst. Ich geleitete Krähe tief in ihr eigenes Bewußtsein, zu den Orten und Erinnerungen, denen sie sich seit Jahren verweigert hatte. Nicht die Brandnarben der Kordiale hatten sie am meisten geschmerzt, sondern die Mauern, die sie zwischen sich selbst und den Erinnerungen an das errichtet hatte, was in einem Aufflammen von Jähzorn zunichte gemacht worden war. Zwei Mädchen, älter inzwischen, die hinauswateten, um die Leine zu fangen, die ihr Vater ihnen zuwarf, und zu helfen, das beladene Boot auf den Strand zu ziehen. Zwei Mädchen, die sich noch immer glichen wie ein Ei dem anderen, die nicht abwarten konnten, ihrem Papa zu berichten, daß sie für die Schulung in der Gabe auserwählt worden waren.
    Papa sagte, wir wären eine Seele in zwei Körpern.
    Dann öffne das Tor und laß sie hinaus. Gestatte euch beiden zu leben.
    Ich wartete schweigend. Falkin befand sich in einem Teil ihrer Erinnerungen, zu denen sie sich länger den Zugang versagt hatte, als andere Menschen leben. Kindheit, Zuhause und eine Schwester, die einem selbst so ähnlich war, daß man kaum miteinander zu reden brauchte. Vom Augenblick der Geburt an war die Gabe zwischen ihnen gewesen.
    Ich weiß jetzt, was ich tun muß. Ich fühlte die in ihr

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