Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
aufwallende Freude und Entschlossenheit. Ich muß sie hinauslassen. Ich muß sie in den Drachen geben. Sie wird in dem Drachen ewig weiterleben, genau wie wir es träumten. Wir beide, wieder vereint.
Krähe stand auf und ließ so unvermittelt meine Hand los, daß ich aufschrie, als ich mich schlagartig in meinem Körper wiederfand. Ich fühlte mich, als wäre ich aus sehr großer Höhe in ihn hineingestürzt. Der Narr und Nachtauge waren mir nach wie vor nahe, aber nicht mehr Teil eines Kreises. Kaum, daß ich sie wahrnehmen konnte in dem Tosen all des anderen, das ich spürte. Gabe, die mich durchtobte wie eine Springflut. Gabe, die von Krähe ausströmte wie Hitze von einem Schmiedefeuer, so daß sie glühte. Krähe knetete ihre Hände und lächelte über die wieder gesunden, geraden Finger.
»Du solltest dich jetzt ausruhen, Fitz«, sagte sie freundlich zu mir. »Geh. Geh und schlaf.«
Ein gutgemeinter Vorschlag, nur, sie kannte ihre eigene Kraft nicht. Ich fiel an Ort und Stelle auf den Boden und wußte nichts mehr.
Als ich erwachte, war es dunkel. Der Körper des Wolfs drückte sich wärmend und tröstend gegen mich. Der Narr hatte eine Decke über mich gebreitet; er saß neben mir und starrte gedankenversunken ins Feuer. Als ich mich rührte, drehte er den Kopf und sah mich an. »Nun, wieder unter den Lebenden?« fragte er. »Als ich dich das letzte Mal so schlafen sah, hatten wir dir gerade einen Pfeil aus dem Rücken geschnitten, und ich dachte, du würdest an einer Blutvergiftung sterben.«
»Ich muß sehr müde gewesen sein.« Während er sprach, waren mir merkwürdige Dinge aufgefallen. Auf dem steinernen Postament hatte man neben dem Drachen ein Feuer entzündet. Ich hörte das Klirren von Metall auf Stein, helle Hammerschläge und die lebhafte Unterhaltung zweier Stimmen. Hinter mir in der Jurte zupfte Merle auf ihrer Harfe. »Und du? Bist du nicht müde? Ich habe dir und Nachtauge Kraft entzogen, mußt du wissen.«
»Müde? Nein, ich fühle mich geheilt.« Der Narr runzelte die Stirn. »Ich glaube, es liegt ebensosehr daran, daß die falsche Kordiale aus meinem Körper geflohen ist wie an dem Wissen, daß du mich nicht haßt. Und an dem Wolf. Wahrlich, er ist eine Offenbarung. Fast kann ich ihn immer noch spüren.« Ein eigenartiges Lächeln spielte um seine Lippen. Ich spürte, wie er zu Nachtauge hinausgriff. Er besaß nicht das Potential, um allein von der Alten Macht oder der Gabe Gebrauch zu machen, doch es war unheimlich zu erleben, wie er es versuchte. Nachtauge klopfte träge mit dem Schweif auf den Boden.
Ich bin schläfrig.
Dann ruh dich aus, mein Bruder. Ich grub die Hand in das dicke Fell an seiner Schulter. Er war Leben und Stärke und Freundschaft, auf die ich bauen konnte. Nachtauge deutete noch ein Schwanzwedeln an und ergab sich dann mit einem tiefen Schnaufen wieder dem süßen Nichtstun. Ich schaute den Narren an und deutete mit einem Kopfnicken auf Veritas’ Drachen.
»Was geht da oben vor?«
»Wahnwitz. Und Freude. Glaube ich. Bis auf Kettricken. Ich glaube, ihr Herz verzehrt sich vor Eifersucht, aber sie bleibt.«
»Was geht da oben vor?« wiederholte ich geduldig.
»Davon weißt du mehr als ich«, gab er zurück. »Du hast etwas mit Krähe getan. Teilweise konnte ich es verstehen, aber nicht ganz. Und Krähe ging dort hinauf und tat etwas mit Veritas. Ich weiß nicht, was, aber Kettricken sagte, sie hätten beide geweint und wären ganz außer sich gewesen. Dann tat Veritas etwas mit Krähe, und beide lachten und jubelten und riefen, es werde gelingen. Ich bin lange genug geblieben, um mir anzusehen, wie beide mit Meißeln und Hämmern und Schwertern und allem, was gerade zur Hand war, auf den Stein losgingen, während Kettricken stumm wie ein Schatten abseits sitzt und sie beobachtet. Sie erlauben ihr nicht, zu helfen. Dann kam ich hierher und fand dich besinnungslos auf dem Boden liegen. Oder schlafend, ganz nach Belieben. Ich habe lange bei dir gesessen und deinen Schlummer bewacht und jedem Fleisch oder Tee oder beides gebracht, der danach rief. Und jetzt bist du wach.«
Ich erkannte seine Parodie meiner Berichterstattung vor Veritas, und ich mußte unwillkürlich lächeln. Wenn ich ihn richtig verstand, hatte Krähe Veritas geholfen, seine Gabe zu erlösen, und die Arbeit an dem Drachen ging nun mit Riesenschritten voran. Aber Kettricken. »Weshalb ist Kettricken traurig?« fragte ich.
»Sie wünscht sich, sie wäre Krähe«, erklärte der Narr in einem
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